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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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seine Beine. Ich nahm den Fetzen aus seinem Munde und wünschte Wasser zu haben, um ihn zu erquicken. Haremhab betrachtete ihn neugierig und fragte unbewegt:
    »Liegt er im Sterben?«
    »Nein«, entgegnete ich ungeduldig. »Er leidet an der heiligen Krankheit.«
    Haremhab sah mich an und umklammerte seinen Speer. »Du brauchst mich nicht zu verachten«, sagte er, »obwohl ich barfuß gehe und noch arm bin. Ich kann einiges schreiben und Geschriebenes lesen, und ich werde eines Tages über viele befehlen. Welcher Gott ist in den da gefahren?«
    Das Volk glaubt nämlich, daß ein Gott aus jenen spricht, die an der heiligen Krankheit leiden, daher seine Frage. »Er hat seinen eigenen Gott«, erklärte ich. »Ich glaube, er ist ein bißchen irrsinnig. Wenn er wieder zu sich kommt, hilfst du mir vielleicht, ihn bis zur Stadt tragen. Dort werde ich eine Sänfte finden, um ihn nach Hause zu bringen.«
    »Er friert«, sagte Haremhab, zog seinen Mantel aus und breitete ihn über den Thronfolger. »Die Morgenluft ist kalt in Theben, doch mich halt mein eigenes Blut warm. Außerdem kenne ich viele Götter und könnte dir manche nennen, die mir beigestanden sind. Mein eigener, besonderer Gott aber ist Horus. Der Junge da ist sicher ein Kind reicher Eltern, denn seine Haut ist weiß und dünn, und seine Hände haben noch nie eine Arbeit verrichtet. Und wer bist du selber?«
    Er redete viel und lebhaft, denn er war ein armer Jüngling, der einen weiten Weg gewandert war, um nach Theben zu gelangen, und dabei auf Unfreundlichkeit und Demütigungen gestoßen war. »Ich bin Arzt«, gab ich zur Antwort. »Auch wurde ich zum Priester ersten Grades im Ammontempel zu Theben geweiht.«
    »Da hast du ihn wohl in die Wüste gebracht, um ihn zu heilen?« vermutete Haremhab. »Aber du hättest ihn wärmer bekleiden sollen. Allerdings will ich die Kunst eines Arztes nicht bekritteln«, fügte er höflich hinzu.
    Der kalte rote Sand flammte im Schein der aufgehenden Sonne. Haremhabs Speerspitze glühte rot, und der Falke kreiste um sein Haupt. Der Thronfolger setzte sich auf, er klapperte mit den Zähnen, wimmerte leise und blickte verwirrt um sich.
    »Ich habe gesehen«, sagte er. »Der Augenblick war wie ein Jahrhundert, ich besaß kein Alter, und er streckte segnend tausend Hände über meinem Haupte aus, und eine jede dieser Hände reichte mir das Zeichen des ewigen Lebens. Wie sollte ich da nicht glauben?«
    »Ich hoffe, du hast dich nicht in die Zunge gebissen«, sagte ich besorgt. »Ich versuchte, dich davor zu schützen, aber ich hatte kein Holzstück, um es dir zwischen die Kiefer zu schieben.« Aber meine Rede war in seinen Ohren wie das Summen einer Fliege. Er betrachtete Haremhab, und seine Augen weiteten sich und wurden klarer, und er war schön mit seinem verwunderten Lächeln.
    »Bist du von Aton, dem Alleinigen, gesandt?« fragte er erstaunt.
    »Der Falke flog vor mir her, und ich folgte ihm«, sagte Haremhab. »Deshalb bin ich hier, mehr weiß ich nicht.« Doch der Thronfolger betrachtete den Speer in seiner Hand und runzelte die Stirn.
    »Du trägst einen Speer?« sagte er vorwurfsvoll.
    Haremhab zeigte seinen Speer. »Der Schaft ist aus erlesenem Holz«, sagte er. »Die aus Kupfer geschmiedete Spitze dürstet nach dem Blut der Feinde des Pharao. Mein Speer ist durstig, und sein Name lautet: ›Der Kehlenspalter‹.«
    »Kein Blut«, sagte der Thronfolger. »Für Aton ist jedes Blutvergießen ein Greuel. Es gibt nichts Furchtbareres als fließendes Blut.«
    Obwohl ich gesehen hatte, wie der Thronfolger die Augen schloß, während Ptahor die Schädelbohrung ausführte, wußte ich noch nicht, daß er zu den Menschen gehörte, die krank und ohnmächtig werden, sobald sie Blut fließen sehen.
    »Das Blut reinigt die Völker und macht sie stark«, sagte Haremhab. »Blut macht die Götter gesund und beleibt. Solange man Krieg führt, so lange muß auch Blut fließen.«
    »Es wird keinen Krieg mehr geben«, sagte der Thronfolger.
    »Der Junge ist verrückt«, lachte Haremhab. »Es hat immer Kriege gegeben und wird immer welche geben, denn die Völker müssen, um zu leben, gegenseitig ihre Tüchtigkeit erproben.«
    »Alle Völker sind Seine Kinder, alle Sprachen und alle Farben, das schwarze und das rote Land«, sprach der Thronerbe und starrte in die Sonne. »In allen Ländern will ich Ihm Tempel errichten lassen und allen Fürsten das Zeichen des Lebens senden, denn ich habe Ihn geschaut; von Ihm bin ich geboren, um zu Ihm

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