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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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die geringste Wunde zu entdecken. Als die Reihe an mir war, kniete ich furchtlos nieder. Der Henker lachte und be rührte meinen Nacken mit dem Schwerte, ohne mich weiter zu erschrecken. Ptahor war der Ansicht, er sei so klein von Wuchs, daß er nicht zu knien brauche, und der Henker schwang das Schwert über seinem Nacken. Somit waren wir tot, das Urteil war vollstreckt, und wir erhielten neue, in schwere Goldreifen eingravierte Namen. In Ptahors Ring stand wirklich: »Er, der dem Pavian gleicht«, und in meinem: »Er, der einsam ist.« Dann wurde für Ptahor ein Geschenk in Gold abgewogen. Auch für mich wurde Gold abgewogen, und wir erhielten neue Kleider, und zum ersten Mal trug ich ein Faltengewand aus königlichem Leinen mit einem Kragen, der schwer von Silber und kostbaren Steinen war. Doch als die Diener den Blutstiller aufrichten und zum Bewußtsein wecken wollten, erwachte er nicht mehr, sondern war tot. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen und kann bezeugen, daß es wahr ist. Doch warum er starb, kann ich nicht verstehen, falls es nicht geschah, weil er glaubte, sterben zu müssen. Denn trotz seiner Einfalt besaß er die Fähigkeit, Blutungen zu stillen, und ein solcher Mensch ist nicht wie andere. Trotz der Landestrauer um den Pharao verbreitete sich die Kunde von dem seltsamen Tod des Blutstillers, und wer sie vernahm, konnte sich des Lachens nicht enthalten. Viele brüllten vor Lachen und schlugen sich auf die Knie, denn das Ereignis war tatsächlich spaßig.
    Auch ich wurde von Amts wegen als tot betrachtet, und von nun an konnte ich keine Akten mehr unterzeichnen, ohne dem Namen Sinuhe die Bezeichnung »Er, der einsam ist« hinzuzufügen. Am Hofe kannte man mich nur noch unter diesem Namen.

    3

    Als ich in meinem neuen Gewand, den Goldreifen am Arm, in das Haus des Lebens zurückkehrte, verbeugten sich meine Lehrer und streckten die Hände in Kniehöhe vor mir aus. Trotzdem war ich immer noch ein Schüler und mußte eine genaue Beschreibung von der Schädelbohrung und dem Tod des Pharao niederschreiben und mit meinem Namen bestätigen. Ich opferte viel Zeit dafür und schloß meinen Bericht mit der Schilderung, wie die Seele in Gestalt eines Vogels der Nase des Pharao entfloh und geradenwegs zur Sonne emporstieg. Man setzte mir mit Fragen zu, ob der Pharao nicht im letzten Augenblick zum Bewußtsein gekommen sei und geflüstert habe: »Ammon sei gesegnet!« was zahlreiche andere Zeugen versicherten. Nachdem ich mein Gedächtnis genau geprüft hatte, fand ich es am besten, auch dieses zu bestätigen, und ich hatte das Vergnügen, zu hören, wie mein Bericht dem Volke an jedem der siebzig Tage vorgelesen wurde, während welcher der Leib des Pharao im Haus des Todes für die ewige Erhaltung behandelt wurde. Solange diese Zeit der Trauer andauerte, waren die Freudenhäuser, die Weinschenken und Bierstuben Thebens geschlossen, so daß man sich an Wein und Musik nur erfreuen konnte, wenn man durch eine Hintertür hineinschlich.
    Nach Ablauf dieser siebzig Tage gab man mir Bescheid, daß ich nun die Reife als Arzt erreicht und das Recht habe, meinen Beruf in jedem mir genehmen Stadtteil auszuüben; falls ich aber die Studien fortsetzen und mich irgendeinem Sondergebiet widmen wolle, so brauche ich nur anzugeben, für welches Gebiet ich mich entschieden habe. Ich konnte zum Beispiel Zahn- oder Ohrenarzt, Handaufleger, Entbindungsüberwacher oder Handhaber eines heiligen Messers werden oder irgendeines der vierzehn verschiedenen Fächer wählen, in denen im Haus des Lebens unter der Leitung der hervorragendsten Spezialisten und unter der Kontrolle der königlichen Ärzte Unterricht erteilt wurde. Dies war ein besonderer Gunstbeweis, der zeigte, wie Ammon seine Diener lohnt.
    Ich war jung, und die Wissenschaft im Haus des Lebens vermochte mich nicht mehr zu fesseln. Der Taumel Thebens hatte mich gepackt. Ich wollte reich und berühmt werden und die Zeit ausnützen, solange alle noch den Namen »Sinuhe, Er, der einsam ist« kannten. Ich besaß Gold und kaufte mir ein kleines Haus an der Grenze des Viertels der Reichen, richtete es meinen Verhältnissen gemäß ein und kaufte mir einen Sklaven, der, obwohl mager und einäugig, sonst für meine Zwecke geeignet schien. Sein Name war Kaptah, und er versicherte selbst, daß seine Einäugigkeit mir nützlich sein werde, indem er meinen künftigen Patienten im Warteraum erzählen könne, daß ich ihn stockblind gekauft und sein eines Auge wieder sehend gemacht habe.

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