Sinuhe der Ägypter
königlichen Mutter Botschaften, in denen sie ihr versicherten, Staub unter ihren Füßen zu sein. Doch im Lande Kusch, in Nubien und an den Grenzen des Sudans pflegte man seit jeher nach dem Tod des alten Pharao Krieg zu führen, als wollten die Neger die Langmut des neuen Pharao auf die Probe stellen. Der Vizekönig in den südlichen Landen, der Göttersohn der südlichen Garnisonen, setzte daher, kaum hatte er die Kunde von dem Tod des Pharao vernommen, seine Truppen in Bewegung, und diese überschritten die Grenze und brannten zahlreiche Dörfer nieder und brachten Vieh und Sklaven, Löwenschweife und Straußenfedern als Beute nach Hause, so daß die Wege zum Lande Kusch wieder sicher waren und alle Räuberstämme den Tod des Pharao laut beklagten, als sie ihre Häuptlinge, den Kopf nach unten, an den Mauern der Grenzfestungen baumeln sahen.
Auch auf den Meeresinseln erhoben sich Klage und Trauer über den Tod des großen Pharao, und der König von Babylon und der König der Hetiter sandten der königlichen Mutter Lehmtafeln, auf denen sie ihr Bedauern über den Tod des Pharao und ihren Wunsch nach Gold für die Aufstellung seines Bildes in den Tempeln zum Ausdruck brachten, denn der Pharao sei wie ein Vater oder ein Bruder für sie gewesen. Der König des Landes Mitani in Naharina aber sandte dem künftigen Pharao seine Tochter als Braut, wie sein Vater es vor ihm getan, und wie es mit dem himmlischen Pharao vor seinem Tod vereinbart worden war. Tadukhipa, so lautete der Name der Prinzessin, langte mit Dienerschaft, Sklaven und Eseln, die kostbare Waren trugen, in Theben an. Sie war ein Kind, eben erst sechs Jahre geworden, und der Thronfolger nahm sie zur Gemahlin, denn das Reich Mitani bildete eine Mauer zwischen dem reichen Syrien und den nördlichen Landen und einen Schutz für alle Karawanenwege vom Land der Zwillingsflüsse bis zum Meere. Da erlosch die Freude unter den Priestern der himmlischen Ammonstochter, der löwenhäuptigen Sekhmet, und die Angeln ihrer Tempeltore verrosteten.
Ober all das unterhielten Thotmes und ich uns laut, und wir erquickten unsere Herzen mit Wein und lauschten syrischer Musik und betrachteten tanzende Mädchen. In meinem Blut trug ich den Taumel Thebens, aber jeden Morgen stand mein einäugiger Diener an meinem Bett, streckte die Hände in Kniehöhe vor mir aus und reichte mir ein Brot und einen gesalzenen Fisch und goß Bier in meinen Becher. Und ich reinigte mich und setzte mich hin, um Patienten zu erwarten, und hörte ihre Klagen an und heilte sie.
4
Wieder war die Zeit der Überschwemmung gekommen, und das Wasser stieg bis zu den Tempelmauern, und nachdem es sich zurückgezogen hatte, leuchtete das Land in klarem Grün, die Vögel bauten ihre Nester, der Lotos blühte in den Teichen, und die Akazienbüsche dufteten. Eines Tages erschien Haremhab in meinem Hause zu Gast. Er war in königliches Linnen gekleidet und trug eine Kette um den Hals und eine Peitsche in der Hand zum Zeichen, daß er ein Offizier des Pharao sei. Dagegen trug er keinen Speer. Ich hob die Hände zum Zeichen meiner Freude über das Wiedersehen, und er hob ebenfalls die Hände und lächelte mich an.
»Ich komme, dich um Rat fragen, Sinuhe, der du einsam bist«, sagte er.
»Ich verstehe dich nicht«, entgegnete ich. »Du bist stark wie ein Stier und mutig wie ein Löwe. Als Arzt werde ich dir kaum helfen können.«
»Ich bitte dich um einen Rat als Freund und nicht als Arzt«, sprach er und setzte sich. Mein einäugiger Diener Kaptah goß Wasser über seine Hände, und ich bot ihm Kuchen an, die meine Mutter Kipa mir gesandt hatte, und kostbaren Wein aus dem Hafen, denn sein Anblick erfreute mein Herz.
»Du bist im Range gestiegen«, sagte ich. »Du bist königlicher Offizier, und sicherlich lächeln die Frauen dir zu.« Doch seine Miene wurde finster. »Alles ist bloß Dreck!« sagte er.
Er erhitzte sich, und sein Gesicht begann zu glühen. »Der Palast ist voller Fliegen, die mich beschmutzen. Die harten Straßen Thebens schmerzen meine Füße, und die Sandalen drücken meine Zehen.« Er streifte die Sandalen ab und rieb sich die Zehen. »Ich bin Offizier der Leibwache«, sprach er, »aber es gibt Offiziere, die erst zehnjährige Knaben sind und noch ihre Locke auf der Stirn tragen. Wegen ihrer vornehmen Herkunft wagen sie, mich auszulachen und zu verhöhnen. Ihr Arm vermag keinen Bogen zu spannen, und ihre Schwerter sind mit Gold und Silber verzierte Spielzeuge, mit denen man wohl einen
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