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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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»Ich bin ein ägyptischer Arzt, Sinuhe, dem der neue Pharao den Namen ›Er, der einsam ist‹ verliehen hat, und ich erfreute mich in meiner Heimat eines großen Rufes. Ich erwecke Tote und mache Blinde sehend, wenn mein Gott es will, denn ich habe einen kleinen, aber mächtigen Gott in einem Schrein mitgebracht. Die Kenntnisse sind jedoch nicht überall die gleichen, noch weniger die Krankheiten. Deshalb bin ich in eure Stadt gekommen, um Krankheiten zu studieren, zu heilen und um Nutzen aus euren Kenntnissen und eurer Weisheit zu ziehen. Ich denke nicht daran, euch in eurem löblichen Beruf zu stören, denn wer bin ich, daß ich mit euch wetteifern könnte? Auch ist das Gold wie Staub unter meinen Füßen, und deshalb schlage ich euch vor, mir solche Patienten zu schicken, denen euer Gott zürnt, so daß ihr sie nicht heilen könnt, besonders solche, die mit dem Messer behandelt werden sollten, da ihr ja kein Messer verwendet, damit ich untersuchen kann, ob mein Gott ihnen Heilung gewährt. Wenn ich einen solchen Kranken heile, gebe ich euch die Hälfte von dem Geschenk, das er mir macht, denn ich bin tatsächlich nicht hierhergekommen, um Gold, sondern um Wissen zu sammeln. Doch wenn ich ihn nicht heile, will ich auch keine Gabe von ihm annehmen, sondern sende ihn mit seiner Gabe zu euch zurück.«
    Und die Ärzte Simyras, die ich in den Straßen und auf den Marktplätzen traf, wo sie Patienten suchten, und zu denen ich so sprach, kratzten sich die Barte und sagten zu mir: »Du bist zwar jung, doch wahrlich hat dich dein Gott mit Weisheit gesegnet, denn deine Rede ist unseren Ohren wohlgefällig. Besonders was du über Gold und Gaben sagst, ist weise gesprochen. Auch was du über das Messer sagst, gefällt uns gut, denn wir heilen niemals Kranke mit dem Messer, weil ein Kranker, den man mit dem Messer berührt, noch sicherer stirbt, als wenn man ihn damit nicht berührt. Nur eins verlangen wir, und zwar, daß du niemanden durch Zauberei heilst, denn unsere eigene Zauberkunst ist gewaltig, und auf diesem Gebiet ist der Wetteifer in Simyra wie auch in anderen Städten an der Meeresküste bereits allzu groß.«
    Was sie über die Zauberei sagten, stimmte; denn durch die Straßen streiften zahlreiche ungelehrte Männer, die nicht einmal schreiben konnten, aber Kranke durch Zauberei zu heilen versprachen und gute Tage in den Häusern der Leichtgläubigen hatten, bis ihre Patienten genasen oder starben. Auch hierin unterschieden sie sich von den Ägyptern, denn, wie jeder weiß, darf in Ägypten Zauberei nur in den Tempeln vorkommen, wo sie von den Priestern des höchsten Grades ausgeübt wird, so daß sich alle anderen nur im geheimen mit der Zauberei abgeben können.
    Die Folge von alldem aber war, daß Kranke zu mir kamen, die die anderen nicht zu heilen vermochten, die ich aber heilen konnte. Wem ich nicht zu helfen vermochte, den wies ich wieder an die Ärzte von Simyra. Aus dem Ammontempel holte ich mir heiliges Feuer in mein Heim, um mich nach Vorschrift zu läutern, und so wagte ich auch, das Messer zu verwenden und Operationen auszuführen, über die sich die Ärzte Simyras gewaltig wunderten. Auch gelang es mir, einem Blinden, den Ärzte und Zauberer erfolglos gepflegt hatten, indem sie ihm mit Speichel vermischte Erde auf die Augen strichen, das Augenlicht wiederzugeben. Ich heilte ihn mit der Nadel, wie es in Ägypten üblich ist, und verschaffte mir dadurch einen großen Ruf, obwohl der Kranke nach einiger Zeit die Sehkraft von neuem verlor, denn die Nadel bringt keine dauernde Heilung.
    Die Kaufleute und die Reichen von Simyra führten ein müßiges, schwelgerisches Leben, waren dicker als die Ägypter und litten an Atemnot und Magenbeschwerden. Ich behandelte sie mit dem Messer, so daß das Blut wie bei Schweinen aus ihnen strömte, und als mein Vorrat an Arzneien zu Ende war, kam es mir sehr zustatten, daß ich gelernt hatte, Heilkräuter an den richtigen Tagen, je nach dem Stand des Mondes und der Sterne zu sammeln, denn hierin besaßen die Ärzte Simyras so geringe Kenntnisse, daß ich mich nicht auf ihre Arzneien zu verlassen wagte. Den Fettwänsten gab ich Arzneien, die ihre Magenschmerzen linderten und sie vor dem Ersticken bewahrten. Diese Mittel verkaufte ich zu hohen und nach den Vermögensumständen der Patienten angesetzten Preisen; ich ließ mich mit niemandem in Streit ein, sondern machte den Ärzten wie den Behörden der Stadt Geschenke, und Kaptah verbreitete meinen Ruf und gab den

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