Sinuhe der Ägypter
verantworten.« Und von dem Sturm, der um uns wütete und das Schiff hin und her schleuderte, so daß es in allen Fugen krachte, sagte ich, daß er über alle Maßen furchtbar sei, obgleich ich mich nicht in Dinge einmischen wolle, die zu seinem Beruf gehörten.
Aber der Kapitän beruhigte mich und sagte tröstend, daß es nur ein guter Wind zum Segeln sei, der uns rasch vorwärtsbringe, und ich solle daher mit meinem Gerede von einem Sturme nicht die Götter verhöhnen. Die Krankheit aber, die unter den Reisenden ausgebrochen sei, stamme daher, daß die Mahlzeiten im Fahrpreis inbegriffen seien und die Reisenden deshalb mit allzu großer Gier aßen, was der Reederei des Schiffes in Simyra bedeutende Ausgaben verursache. Deshalb hätten die Reeder in Simyra gewiß den Meeresgöttern opfern lassen, damit die Reisenden das Essen nicht behalten und daher nicht wie Raubtiere den Proviantvorrat des Schiffes leeren konnten.
Seine Erklärung tröstete mich nur unvollkommen, und ich wagte zu fragen, ob er sich wirklich zutraue, an Land zurückzufinden, nachdem die Finsternis bald hereinbrechen werde. Er versicherte mir, daß es in seiner Kabine an Bord eine ganze Menge verschiedener Götter gäbe, die ihm sowohl bei Tag als bei Nacht die Richtung einhalten helfen, wenn bloß die Sterne nachts und die Sonne tagsüber schienen. Doch das war sicher eine Lüge, denn solche Götter dürfte es kaum geben.
Deshalb spöttelte ich über ihn und fragte, woher es komme, daß ich nicht wie die übrigen Reisenden erkrankt sei. Er erklärte, das sei höchst natürlich, weil ich die Mahlzeiten an Bord eigens bezahle und den Reedern somit keinen Verlust bereite. Über Kaptah wiederum sagte er, mit Dienern sei es eine andere Sache, sie erkrankten oder blieben gesund, je nachdem es sich gerade treffe. Aber er schwor bei seinem Barte, daß jeder Reisende wieder gesund wie ein Zicklein sein werde, sobald er in Simyra festen Boden unter den Füßen habe, so daß ich nicht für mein Ansehen als Arzt zu fürchten brauche. Allerdings fiel es mir schwer, ihm Glauben zu schenken, solange ich das Elend der Reisenden vor mir sah.
Aber warum ich selbst nicht ebenso krank wurde, kann ich nicht sagen, falls es nicht etwa darauf beruhte, daß ich gleich nach meiner Geburt in einem Binsenboot ausgesetzt und auf dem Nil geschaukelt wurde. Eine andere Erklärung kann ich nicht finden.
Ich versuchte, Kaptah und die Passagiere auf die beste Art zu pflegen, doch wenn ich die Reisenden berühren wollte, verfluchten sie mich, und als ich Kaptah zur Stärkung Essen anbot, wandte er das Gesicht ab. Noch nie zuvor war es geschehen, daß Kaptah etwas Eßbares verschmähte. Deshalb begann ich zu glauben, daß er wirklich sterben müsse. Ich ward sehr betrübt, denn ich hatte mich bereits an sein leeres Geschwätz gewöhnt.
Es wurde Nacht, und ich schlief endlich ein, obgleich ich mich über das Schaukeln des Schiffes und das furchtbare Dröhnen der Segel beim Anprall der Sturzwellen gegen den Bug entsetzte. So vergingen einige Tage, aber keiner der Passagiere starb. Im Gegenteil, manche begannen wieder zu essen und auf Deck umherzuwandeln. Nur Kaptah blieb an seinem Platz liegen und rührte kein Essen an, aber er zeigte doch Lebenszeichen, indem er wieder zu unserem Skarabäus zu beten begann, woraus ich schloß, daß in ihm die Hoffnung erwacht sei, trotz allem lebend an Land zu gelangen. Am siebenten Tag der Reise kam wieder Land in Sicht, und der Kapitän sagte, er habe dank dem günstigen Wind an den Hafenstädten Joppe und Tyrus vorübersegeln und geraden Kurs auf Simyra nehmen können. Doch warum er all dies wußte, kann ich auch heute noch nicht sagen. Jedenfalls tauchte Simyra am folgenden Tag auf, und der Kapitän brachte den Meeresgöttern und den Göttern in seiner Kabine reichliche Opfer dar. Die Segel wurden gerefft, die Ruderer streckten ihre Ruder aus, und das Schiff wurde in den Hafen Simyras hineingesteuert.
Als wir ruhige Gewässer erreichten, erhob sich Kaptah und schwor bei dem Skarabäus, daß er seinen Fuß nie mehr auf das Deck eines Schiffes setzen werde.
Fünftes Buch
DIE CHABIRI
1
Jetzt muß ich von Syrien und den Städten, in die ich kam, erzählen, und das tue ich am besten, indem ich hervorhebe, daß in den roten Landen alle Dinge, die sind und geschehen, das Gegenteil zu jenen im schwarzen Lande bilden. So gibt es dort zum Beispiel keinen Strom, sondern das Wasser regnet vom Himmel zur Erde und feuchtet sie. Neben jedem Tal
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