Sinuhe der Ägypter
Bettlern und Märchenerzählern zu essen, damit sie meinen Namen in allen Straßen und auf allen Plätzen bekanntmachten, auf daß er nicht vergessen werde.
Ich verdiente eine Menge Gold, und alles, was ich nicht selbst verbrauchte oder verschenkte, legte ich in den Handelshäusern von Simiyra an, die ihre Schiffe nach Ägypten, nach den Meeresinseln und nach dem Lande der Hetiter sandten. So wurde ich Teilhaber an vielen Schiffen, bald zu einem Hundertstel, bald zu einem Fünfhundertstel, je nach meinen augenblicklichen Mitteln. Es gab Schiffe, die niemals wiederkehrten, die meisten aber kamen zurück, und mein Gold wurde in den Büchern der Handelshäuser verdoppelt oder verdreifacht. Diese in Ägypten unbekannte Sitte war in Simyra üblich, und sogar die Armen beteiligten sich und vermehrten auf diese Art ihre Mittel oder verarmten noch mehr dabei, denn zehn, zwanzig Arme konnten ihr Kupfer zusammenschieben, um gemeinsam ein Tausendstel eines Schiffes und seiner Last zu kaufen. Auch brauchte ich auf diese Art mein Gold nicht zu Hause aufzubewahren, wo es leicht Diebe und Räuber hätte anlocken können, sondern mein ganzes Gold war in den Handelshäusern angelegt und in ihren Büchern eingeschrieben. Wenn ich in andere Städte, wie Sidon oder Byblos, reiste, um dortige Patienten zu heilen, hatte ich es auch nicht nötig, Gold mitzunehmen, sondern das Handelshaus gab mir eine Lehmtafel, die ich nur in den Handelshäusern von Byblos und Sidon vorzuzeigen brauchte, um Gold zu erhalten. Aber meistens brauchte ich es gar nicht zu tun, weil ich Gold von den Kranken erhielt, die ich heilte, nachdem sie mich aus Simyra hatten kommen lassen, weil sie das Vertrauen zu den Ärzten ihrer eigenen Stadt verloren hatten.
Ich hatte Erfolg, mein Vermögen wuchs, und Kaptah wurde feist, kleidete sich in kostbare Gewänder, salbte sich mit wohlriechenden ölen und begann mir oft zu widersprechen, bis ich ihn mit dem Stock zurechtwies. Doch warum es mir so gut erging, kann ich nicht sagen.
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Aber nach wie vor fühlte ich mich einsam, und das Leben bereitete mir keine Freude. Auch des Weines ward ich überdrüssig, denn er vermochte mein Herz nicht zu erquicken, sondern ließ mein Gesicht dunkel wie Ruß werden, so daß mir jedesmal, wenn ich Wein getrunken hatte, zum Sterben war. Deshalb erweiterte ich meine Kenntnisse und erlernte die Sprache und die Schrift Babyloniens, und so fand ich tagsüber keine Mußestunde mehr, und des Nachts schlief ich tief und schwer. Denn sobald ich müßig ging, schwoll mir das Herz, und der Kummer über mich selbst und meine Taten fraß daran wie Lauge.
Ich lernte auch die Götter Syriens kennen, weil ich sehen wollte, ob sie mir etwas zu sagen hätten. Wie alles übrige, sind auch die Götter in Simyra anders als in Ägypten. Der große Gott war der Baal Simyras, und er war ein grausamer Gott, dessen Priester sich entmannten, und der Menschenblut verlangte, um der Stadt gewogen zu sein. Auch das Meer forderte seine Opfer. Baal verlangte sogar kleine Kinder, so daß die Kaufleute und Behörden Simyras stets auf der Suche nach neuen Opfern waren. Deshalb sah man in Simyra keinen einzigen gebrechlichen Sklaven, und das arme Volk wurde für das geringste Verbrechen mit grausamen Strafen belegt; zum Beispiel wurde ein Mann, der einen Fisch stahl, um seine Familie zu ernähren, als Opfer auf dem Altar des Baal zerstückelt; hingegen erhielt ein Mann, der einen anderen mit falschen Gewichten oder unreinem Gold betrog, keine Strafe, sondern den Ruf eines schlauen Kaufmanns, denn man sagte: »Der Mensch ist dazu da, um betrogen zu werden.« Die Kaufleute und Kapitäne stahlen daher Kinder sogar aus dem entlegenen Ägypten und von den bewohnten Küsten, um sie Baal zu opfern, und das wurde ihnen als großes Verdienst angerechnet.
Ihre weibliche Gottheit war Aschtart, auch Ischtar genannt, wie die Göttin Ninives, sie hatte viele Brüste und wurde jeden Tag mit Schmuck behängt und in dünne Gewänder gehüllt, und der Dienst an ihr wurde von Frauen verrichtet, die aus irgendeinem Grunde Tempeljungfrauen genannt wurden, obwohl sie wahrhaftig alles andere als jungfräulich waren. Im Gegenteil war es ihre Aufgabe, sich mit den Besuchern des Tempels der Wollust hinzugeben, weil das als ein der Göttin wohlgefälliges Tun betrachtet wurde, das um so wohlgefälliger war, je mehr Gold und Silber der Gast dem Tempel spendete. Deshalb wetteiferten die Frauen untereinander, den Männern zu Gefallen zu sein, und
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