Sinuhe, Sohn der Sykomore 1
Schenkel. Brutale Finger bohrten sich in sie hinein. Sati winselte und strampelte.
»Verfluchtes Aas du, willst du wohl stillhalten«, stieß der Mann zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und zwang ihre Schenkel weit auseinander.
Sati bäumte sich noch einmal auf, bevor der massige Körper sich ganz auf sie senken konnte. Sie winkelte ihr Knie an und stieß es ihm zwischen die Beine.
Abrupt wurde sie losgelassen. Der Mann rollte sich vor Schmerz im Schlick herum und hielt sich die Weichteile.
Sati wartete nicht ab, ob der Kerl sich wieder erholte. Sie sprang auf und rannte, was ihre Beine hergaben. Weit entfernt von der Stelle des Angriffs schlug sie sich ins Uferschilf. Dort hielt sie sich verborgen vor den Menschen, denn sie fühlte sich bis ins Innerste besudelt. Vor ihr glänzte das kühle Wasser so rein und klar. Was hätte sie darum gegeben, tief in die Fluten einzutauchen und all dies wegzuwaschen, mit dem Kopf unterzutauchen, bis auch die hintersten Winkel ihrer Gedanken gereinigt wären von dem Unaussprechlichen, das ihr gerade widerfahren war. Lange wagte sie sich nicht hervor, zu groß war ihre Angst, dass der Mann noch irgendwo lauern könnte.
Später, als die Sonne sich bereits dem Horizont zuneigte, glitt sie vorsichtig ins Wasser. Doch sie konnte sich noch so lange schrubben, bis ihre Haut ganz rot war. Die Erinnerung konnte sie nicht fortspülen.
Es war schon dunkel, als sie endlich nach Hause kam.
»Kind, du bringst mich noch ins Grab«, wurde sie von den Vorwürfen ihrer Mutter begrüßt.
»Was hast du dir nur dabei gedacht, dich so lange draußen herumzutreiben? Hast du eine Ahnung, was dir hätte passieren können«, donnerte ihr sonst so sanfter Vater.
Sati brach in Tränen aus.
»Nicht schimpfen, bitte«, jammerte sie. »Ich will es auch nie wieder tun.« Und dieses Mal meinte sie es auch so.
Am nächsten Tag bat sie ihren Vater darum, Lesen lernen zu dürfen.
Die Eltern hatten gemerkt, dass ihre Jüngste seit dem Vortag sehr verstört war, und so gab Ipi der Bitte seiner Tochter ohne weiteres Schimpfen nach.
3 ~ Von Kriegern und Schreibern
Regierungsjahr 5 von Amenemhet I
Man hörte nur das Schaben des Messers. Dann fiel mit einem dumpfen Geräusch die Jugendlocke des Sesostris auf den gefliesten Boden. Wie jedem Knaben im Alter von dreizehn Überschwemmungen, so wurde auch dem Kronprinzen heute, zu Beginn der Nilschwemme, der geflochtene Seitenzopf abrasiert, der ihn als Kind kenntlich machte und unter den besonderen Schutz des Gottes Horus stellte. Der falkenköpfige Horus war das göttliche Kind von Isis und Osiris.
Feierlich trat Pharao Amenemhet vor und überreichte seinem Sohn die Perücke eines Kriegers. Die Große Königliche Gemahlin Nefertatenen umarmte ihn.
»Mutter, ich bin doch jetzt erwachsen«, protestierte Sesostris.
Die Königin ließ ihn unwillig gehen und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
Amenemhet umfasste die Schultern seines Sohnes. »Sesostris, nun ist es an der Zeit, deine Ausbildung als mein Nachfolger zu beginnen. Ich benötige dich vor allem im Heer, denn dort gärt es laut meiner Informanten wieder einmal. Darum wirst du morgen in das Haus des Krieges eintreten. Bald schon sollst du als oberster Heerführer die Truppen Ägyptens gegen die Fremdländer führen. Ein müßiges Heer neigt zu Unzufriedenheit. Das wird mir Zeit verschaffen, die Feinde im Palast kaltzustellen.«
Amenemhet seufzte und drückte die Schultern seines Sohnes noch einmal fest. Sesostris aber strahlte, war es doch genau das, worauf er gehofft hatte. Mit Sinuhe hatte er bereits eifrig Pläne geschmiedet, wie sie sich gemeinsam im Haus des Krieges würden bewähren können.
Die vergangenen vier Jahre hatten tiefe Furchen in Amenemhets dunkles Gesicht gegraben. Seine Position als Herr der Beiden Länder war zu keinem Zeitpunkt unangefochten gewesen. Die Prophezeiung des Neferti hatte zwar dazu geführt, dass er die Doppelkrone ergreifen konnte, doch hinter vorgehaltener Hand war von einem verabredeten Spiel die Rede gewesen – zu günstig schienen die letzten Worte des Hohepriesters in Amenemhets Machtpläne zu passen. Nur dem Ansehen des Neferti war es zu verdanken, dass Amenemhet sich gegen seine Gegenspieler hatte durchsetzen können. Doch sicher saß er keineswegs auf dem Thron. Bereits seine Ernennung zum Wesir war vielen Edlen bitter aufgestoßen. Er konnte auf keine vornehme Ahnenreihe zurückblicken, seine Mutter war nicht einmal Ägypterin
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