Sinuhe, Sohn der Sykomore 1
schmalen Lippen.
»Genau. Ptahhotep weiß davon, und ich bin in seiner Hand. Zudem muss ich befürchten, dass die Fehlbeträge entdeckt werden, wenn ein neuer Herrscher in den Palast einzieht.«
»Tsss«, machte Meketre.
»Ptahhotep hat mir versprochen, dass ich Wesir werde, wenn er die Doppelkrone erringt. Übrigens«, fügte Amunnacht hinzu, »auch dein Posten bliebe gesichert, wenn du uns hilfst. Es würde sich auch sonst für dich lohnen. Du müsstest nur dafür sorgen, dass die kleine Prinzessin uns nicht gefährlich werden kann, sobald Ptahhotep den Thron bestiegen hat.«
Meketre spitzte nachdenklich den Mund. »Ich sehe mein Lebensglück nicht gerade in den Wänden des Harems. Versteh mich nicht falsch, es ist eine einflussreiche Stellung. Aber diese Frauen! Jeden Tag Streitereien und Genörgel. Glaube mir, auf die Dauer wünscht man sich nur noch Ruhe, weit weg von allem, was weiblich ist. Wer bin ich denn, verwöhnten königlichen Blagen die Rotznasen abzuwischen? Wenn da also noch mehr für mich drin wäre …«
»Eine Versetzung und Beförderung meinst du?« Amunnacht verzog das Gesicht. Er hätte Meketre viel lieber weiter als Haremsvorsteher gesehen. Zu viel hing jetzt von der Loyalität dieses Amtsinhabers ab.
»Das hast du gut erkannt. Ich könnte das Kind auch jetzt sofort beseitigen. So viele Neugeborene erleben nicht einmal ihren zweiten Mond. Keiner würde Fragen stellen.«
Amunnacht erkannte, dass sein Freund in Gedanken bereits als Gaufürst über üppige Ländereien wandelte. »Nichts übereilen, mein Guter! Die Heirat mit der Prinzessin würde jeden Mann im Schwarzen Land zu einem ernst zu nehmenden Anwärter auf den Horusthron machen, wie du weißt. Darum muss sie Ptahhoteps Große Königliche Gemahlin werden. Keiner würde seine Herrschaft mehr anzweifeln können.« Er dachte scharf nach. Meketre musste ins Boot geholt werden, sonst konnte der Plan scheitern. Also würde er ihm lieber alles versprechen, was er forderte. Später konnte man immer noch weitersehen. »Also gut. Du, mein Bester, musst nur dafür sorgen, dass bis zu Ptahhoteps Machtergreifung niemand anderer an die Kleine herankommt. Dann wirst du deinen Lohn erhalten. Sollten die Dinge sich aber anders entwickeln, ist es immer noch Zeit für eine tödliche Krankheit.«
»Anders entwickeln? Ah, ich verstehe. Falls ein anderer als Ptahhotep sich durchsetzt.«
»Was wir nicht hoffen wollen.«
Meketre rümpfte die Nase. »Eigentlich gibt es doch keinen anderen möglichen Nachfolger, oder?«
»Im Grunde käme jeder Mann aus adligem Haus infrage. Doch manches Blut ist vornehmer als anderes. Ptahhotep zählt immerhin den Pharao Chufu zu seinen Vorfahren.«
Meketre zuckte mit den Schultern. »Du weißt sehr wohl, dass diese Abstammung des Gaufürsten von Men-Nefer sehr fraglich ist. Aber für mich ist nur wichtig, dass ich meinen ungeliebten Posten für einen besseren werde eintauschen können.«
Als ob die Herkunft des künftigen Pharaos unwichtig wäre! Amunnacht entstammte selbst einer sehr alten Familie mit ruhmreichen Vorfahren. Schon, dass er sein Haupt vor der Familie der Mentuhoteps hatte beugen müssen, die doch erst in den Wirren der Dunklen Zeit Größe erlangt hatte, war ihn bitter angekommen. Das war für ihn ein weiterer Grund, warum er den Gaufürsten von Men-Nefer unterstützte.
* * *
Beim Regenten löste die Nachricht von der Geburt der Prinzessin nur gelinde Bestürzung aus. Amenemhet hatte die Zeit gut genutzt und überall neue Verbindungen geknüpft. Aber er wusste auch, dass er nicht zu denen gehörte, die sich leicht Freunde machen. Er hatte in den letzten Monden unter den Wachleuten, die für den Schutz der Karawanen und Steinbrüche zuständig waren, etliche Spitzel angeworben, die ihn über die Aktivitäten von Osirisanch und Ptahhotep auf dem Laufenden hielten. Daher war er darüber im Bilde, dass der unterägyptische Gaufürst nicht untätig gewesen war. Um Osirisanch musste er sich jedoch nicht mehr kümmern. Der Oberägypter schien das Rennen um die Nachfolge Mentuhoteps aufgegeben zu haben.
Amenemhet konnte mit der Prophezeiung des Neferti ein schweres Gewicht zu seinen Gunsten in die Waagschale werfen, von dem außer ihm bislang kaum jemand wusste. Er legte die Fingerspitzen unter dem Kinn zusammen und lächelte versonnen.
* * *
Im Haus des Wesirs Ipi war von all diesen Ränkespielen nichts zu spüren. Seine Bewohner trieben friedlich auf den sanft plätschernden Wellen des
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