Sinuhe, Sohn der Sykomore 1
stellen.
Der Töpfer dagegen, ja! Er ist bereits unter der Erde, obwohl er noch gar nicht tot ist.
Du denkst, es gebe keinen glorreicheren Beruf als den des Kriegers? Der Soldat, mein Sohn, marschiert den ganzen Tag unter glühender Sonne. Er zieht, wohin man ihn befiehlt. In der Wüste bekommt er nur Sand zu fressen, und am Ende erwartet ihn ein elender Tod.
Merke dir: In jedem Beruf hast du einen Vorgesetzten, nur der Schreiber ist sein eigener Herr. Der Schreiberberuf wird geachtet wie kaum ein Zweiter, und dein Tagwerk ist nicht vergänglich, sondern deine Schriften werden im Haus des Lebens verwahrt für die Ewigkeit. Als Schreiber kannst du Beamter bei Hof werden, wie ich, und hoch hinaufsteigen. Deine Worte können das Ohr des Herrn der Beiden Länder erreichen und du hast ein mehr als gutes Auskommen.
Deine Hände, mein Kind, sind nicht schwielig wie die eines Kriegers. Sie sind schmal und flink, genau richtig für das Führen der Binse. Außerdem solltest du bedenken: Wenn dein Freund Sesostris eines Tages zum Träger der Doppelkrone emporsteigt, wird er unter seinen Beamten einen Vertrauten brauchen, der ihm treu ist.
Ich weiß, dass du enttäuscht bist. Dass dies zunächst eine Trennung von deinem Freund bedeutet. Aber Meret und ich haben uns das gut überlegt. Es ist das Beste für dich.«
* * *
Die Freunde trafen sich an ihrem Lieblingsplatz. In diesem grünen Hain am Ufer des Nils warfen Sykomoren und Dattelpalmen angenehmen Schatten. Das steigende Nilwasser hatte die kleine Anhöhe noch nicht erreicht, und so lag Sesostris bereits bäuchlings im spärlichen Gras, als der Schatten Sinuhes auf ihn fiel.
Er sah auf und rief: »Und ab morgen sind wir also im Haus des Krieges. Ja! Das wird ein Spaß, sage ich dir.« Genießerisch schloss er die Augen. Dann warf er sich herum und zog Sinuhe zu sich herunter. »Du sagst ja gar nichts. Moment … Ist das etwa eine Schreiberperücke?« Lachend zog er an den langen Strähnen. Erst dann bemerkte er die bedrückte Miene seines Freundes. »Erzähl!«
»Ach, mein Vater – er hat mir einen endlosen Vortrag gehalten, warum alle anderen Berufe außer dem des Schreibers so schlecht sind, dass ich nicht zum Krieger tauge, und so weiter, und so fort. Er hat mich im Haus des Lebens eingeschrieben.«
Sinuhe ließ sich neben ihm ins Gras plumpsen und hatte sichtlich Mühe, die Tränen der Enttäuschung zurückzuhalten.
»Na, das hätte aber noch schlimmer kommen können«, neckte Sesostris.
»Ach ja? Was könnte schlimmer sein?«
»Er hätte dich im Haus des Todes einschreiben können«, prustete Sesostris und stellte sich den zarten Sinuhe vor, wie er die harte und ehrlose Arbeit des Einbalsamierers ausübte.
»Das ist nicht witzig, du Esel!«, schrie Sinuhe und schlug ihm kräftig in den Bauch.
»Au! Na warte!«
Sesostris warf sich auf Sinuhe, und die beiden jungen Männer rollten, sich freundschaftlich knuffend und stoßend, den Hügel hinab.
»Ach weißt du«, sagte Sesostris, als er sich den Sand aus der neuen Perücke klopfte, »wenn ich meinen ersten Feldzug führe, dann nehme ich dich einfach mit – als Heeresschreiber. Was hältst du davon?«
Sinuhes Augen leuchteten auf. »Das ist eine tolle Idee!«
Sesostris stellte sich kerzengerade hin und deklamierte mit tiefer Stimme: »Und darum, mein Sohn, ist der Beruf des Heeresschreibers der ehrenvollste überhaupt, denn nur er kann all die dreckigen Soldatenlieder für die Ewigkeit niederschreiben.«
Arm in Arm und aus voller Kehle lachend gingen die beiden nach Hause. Sinuhe schien mit seinem Schicksal halbwegs versöhnt. Sesostris aber bedauerte, dass er von nun an auf sich allein gestellt wäre. Jetzt, da er Kronprinz war, würde er einen Freund an seiner Seite gut gebrauchen können. Doch dann schüttelte er die trüben Gedanken ab.
* * *
Aufgeregt und gespannt begann Sesostris seine Ausbildung im Haus des Krieges. Hier wurden junge Männer nicht nur in der Waffenkunst unterwiesen, sondern vor allem auch in Taktik und Kriegsführung, denn die besten unter ihnen würden später diejenigen sein, die auf Kriegszügen die ausgehobenen Freiwilligen und Söldner anleiteten und Schlachtpläne ausarbeiteten.
An acht von den zehn Tagen einer Woche würde er mit seinen Kameraden in der Kaserne leben, das Wochenende könnte er wie sie nach Gutdünken verbringen. Daher hatte Sesostris auch ein Bündel mit Kleidung dabei. Seine Mutter hatte ihm neben guten Ratschlägen, die Mütter eben so
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