«Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)
Souper.»
Immerhin konnte Voltaire die Arbeit am Siècle de
Louis XIV fortsetzen.
Friedrich streichelte Voltaire mit königlicher Samtpfote. Voltaire schien vergessen zu haben, daß es eine Tigertatze war, deren Hieb ihn zerschmettern konnte.
Die Soupers im Marmorsaal des Schlosses Sanssouci.
Unter den Herren der Tafelrunde, die sich von Friedrich hatten gefangennehmen lassen, waren welche, die Voltaire persönlich kannte: Maupertuis, Präsident der Akademie. Graf Francesco Algarotti, Kammerherr, der einst etliche Wochen in Cirey zugebracht hatte als ein Abgesandter Friedrichs.
Friedrich war schon als Kronprinz in Rheinsberg der Neigung gefolgt, seine Gäste zu Zielen verletzender Scherze zu machen. Es war nicht leichtgefallen, gebührende Erwiderungen zu finden, ohne den Kronprinzen zu verärgern. Viel schwieriger war es geworden, dem jungen König respektvoll Paroli zu bieten.
Friedrich nutzte seinen Vorrang schamlos aus. Sein liebstes Opfer war Carl Ludwig Baron von Pöllnitz.
Weil Pöllnitz wegen Krankheit Friedrich auf einer Reise nicht begleiten konnte, wies Friedrich ihn zurecht:
«Konnten Sie Ihrer Krankheit nicht sagen, sie solle warten?»
Nach dem Tode des Barons schrieb Friedrich an Voltaire:
«Der alte Pöllnitz, so wie er gelebt hat, ist er nun gestorben, … als Spitzbube.»
Er werde von niemandem betrauert als von seinen Gläubigern.
Zur Tischgesellschaft in Sanssouci gehörten auch Julien Offray de La Mettrie, Philosoph, der «Maschinen-Mensch»; Jean-Baptist de Boyer, Marquis d’Argens, Direktor der Philosophischen Klasse der Akademie; Egmont Graf von Châsot, Oberstlieutenant; Viscount Tyrconnel, französischer Botschafter; Claude Etienne Darget, Vorleser und Sekretär Friedrichs; die Brüder Keith – James, Feldmarschall, und George, Lordmarschall; Christoph Ludwig von Stille, General; Friedrich Rudolf Graf Rothenburg, Generallieutenant.
An der Tafel galt Voltaire selbst als König – der König des Geistes.
3.
Voltaire hatte frühzeitig gewußt, daß er finanziell unabhängig sein mußte, wenn er schreiben wollte, wie es ihm gefiel.
«Ich habe so viele arme und verachtete Schriftsteller gesehen, daß ich schon vor langer Zeit beschlossen habe, ihre Zahl nicht auch noch zu erhöhen.»
Bevor Voltaire im Mai 1726 nach England ging, legte er Geld in Pariser Kommunalobligationen an. Die Stadt kam aber ihren Verpflichtungen nicht nach.
Voltaire sagte:
«Ich habe das Pech gehabt, daß ich alle meine Jahresrenten an das Rathaus verlor …»
Später wollte die Stadt die Besitzer von Obligationen entschädigen. Der Generalkontrolleur der Finanzen, Michel Robert Le Peletier des Forts, gab Lotteriescheine aus, die die geschädigten Besitzer städtischer Schuldverschreibungen kaufen konnten. Pro Nennwert von 1000 Livres Schuldverschreibung kostete ein Los einen Livre. Die Losverkäufe und hohe Regierungszuschüsse finanzierten die Gewinne. Jeden Monat fand eine Ziehung statt.
1729, nach der Rückkehr aus England, beriet sich Voltaire mit dem Mathematiker Charles Marie de La Condamine.
Sie fanden schnell heraus, daß die Gewinne aus einer monatlichen Ziehung größer waren als die Kosten aller Lotteriescheine. Es mußten nur einige geschädigte Leute gefunden werden, die zum Kauf von Losen berechtigt waren.
Voltaire fand solche Leute. Sie kauften sämtliche Lotteriescheine einer bevorstehenden Ziehung und teilten sich den Gesamtgewinn.
Voltaire gewann eine halbe Million Livres.
Zu dem Vermögen und den Zinsen kamen zwar Einnahmen, die seine Bücher und die Aufführungen seiner Stücke erbrachten, ferner Zinsen für Darlehen, die er an Freunde vergab, sodann Gewinne aus der Papierfabrik des Sieur Dumoulin und aus der Lieferung von Lebensmitteln an die französische Armee. Dazu seit 1750 das Jahresgehalt, das Friedrich ihm gewährte – 20 000 Livres, umgerechnet 5000 Taler.
Aber Voltaire trachtete danach, in Preußen weitere Einkünfte zu erlangen.
Kurz nach seiner Ankunft lernte er Abraham Hirschel, preußischer «Schutzjude», kennen, der ein Juweliergeschäft in der Berliner Heiligengeiststraße besaß. Im November hatte er von Hirschel Diamanten bekommen, die er als Darsteller des Cicero bei einer Aufführung seiner Tragödie Rome sauvée für den Bruder Friedrichs, Prinz Heinrich, trug.
Womöglich hatte Hirschel ihm von günstigen Geschäften erzählt, die mit sächsischen Steuerscheinen zu machen seien. Diese Steuerscheine
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