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Sirenenlied

Sirenenlied

Titel: Sirenenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Fingern, die Glätte ihrer Perlmutthaut über ihrer Brust, die sich im Gegensatz zu seiner nicht hob und senkte. Er zögerte nicht einmal, als er den Ansatz ihres Busens ertastete, sondern legte sogleich seine Hand darauf.
    War es eben noch die Sirene gewesen, die das Spiel ihrer Lippen bestimmt hatte, so erwiderte er den Kuss nun, ohne recht zu begreifen, was er da eigentlich tat. Für ihn existierte nur noch die Frau in seinen Armen. Dass es keine menschliche Frau war, sondern ein Geschöpf des Meeres,
hatte er vollkommen vergessen. Bis sie sich aus seiner Umarmung wand.
    In der einen Sekunde hielt er sie noch fest umschlungen, in der nächsten stand sie einen Hauch von ihm entfernt, die Augen ein Strudel, in dem man untergehen konnte.
    »Nicht so wild, kleiner Mann. Sonst reißt deine Leidenschaft mich noch mit. Dabei habe ich dir doch versprochen, dass ich dir heute nicht mehr als einen Kuss nehmen würde.«
    Das widerwillige Grollen, das Joshs Kehle entwich, verriet, wie wenig er von diesem Vorhaben hielt. Vor ihm in den auslaufenden Wellen stand die größte Versuchung seines Lebens und versprach Linderung für all die süß-quälenden Bedürfnisse, die ihm ihre Nähe bescherte. Und da sollte er sich mit einem Kuss zufriedengeben? Entschlossen schritt er ins Wasser und schlang seinen Arm um ihre Taille. Die Sirene mochte den Tod bedeuten, aber auf ihre Berührung zu verzichten, erschien noch grausamer.
    So stürmisch, wie er sie umarmt hatte, so vorsichtig fiel allerdings sein Kuss aus. Er wollte ihr keinen Grund geben, sich erneut von ihm zurückzuziehen. Ihre Lippen schmeckten nach jenem Salz, das man nach einem Spaziergang entlang der Küste auf der Haut trägt. Ein Geschmack, von dem er nicht genug bekommen konnte.
    Eine Welle teilte sich am Rücken der Sirene, tauchte Josh bis zu den Hüften in eisiges Wasser. Doch das kümmerte ihn genauso wenig wie der Sturm, der mit jeder Minute an Kraft gewann, so dass er seine Muskeln anspannen musste, um nicht zurückgedrängt zu werden. Er wollte mehr von diesen Küssen, wollte mehr von diesem Spiel Haut auf Haut. Grob riss er an dem Reißverschluss seiner Jacke, ungehalten darüber, eine Hand von der wunderbar
geschmeidigen Schulter seiner Gespielin nehmen zu müssen. Nachdem er sich der Jacke entledigt hatte, nahm er kurz die schneidende Kälte wahr, dann war auch das wieder vergessen, und er sann nur darüber nach, wie er seinen Pullover loswerden konnte, ohne den Kuss dafür allzu lang zu unterbrechen.
    Doch so weit kam es nicht.
    Erneut entzog sich die Sirene seiner Umarmung. Dieses Mal wich sie ein gutes Stück ins Meer zurück. Eine Ahnung von Atemlosigkeit zeichnete sich auf ihren feinen Zügen ab, als habe auch sie dieser Kuss etwas gekostet.
    »Das reicht jetzt«, erklärte sie.
    Wäre sie nicht ein Stück weit in die Brandung vor ihm geflüchtet, hätte Josh es augenblicklich auf einen Versuch ankommen lassen. Aber er befürchtete, in dem tosenden Wasser nicht schnell genug voranzukommen. Schon jetzt hatte er Schwierigkeiten, ohne ihre Hilfe das Gleichgewicht zu halten.
    »Willst du, dass ich dir ins Wasser folge? Das werde ich nämlich tun!«
    Sofort hob sie eine Hand. »Nein.« Dann trat sie wieder zu ihm. »Ich will nicht, dass du mir jetzt folgst. Aber ich möchte, dass du zu mir kommst, wenn du so weit bist.«
    »Glaub mir, ich fühle mich mehr als bereit.«
    Die Sirene stieß ein perlendes Lachen aus, bei dem Joshs Verstand sich endgültig verabschiedete. Sie ließ zu, dass er die Arme um sie schlang, aber sie verweigerte ihm ihren Mund.
    »Nenn mir deinen Namen«, forderte sie ihn auf, und Josh gehorchte ihr ohne Zögern. »Joshua Galbraith, ab dem heutigen Tag bist du mein, daran soll niemand etwas ändern können«, sagte sie in sein vom Wind zersaustes Haar.
»Ruf mich, wenn du die letzten Schalen der Kindheit abgestreift hast. Dann werde ich dich mit in mein Reich nehmen. Aber bis dahin werde ich diese Insel meiden, so schwer es mir nach deinen Küssen auch fallen mag.«
    Josh wollte etwas erwidern, doch sie legte ihren langen Finger auf seine Lippen. Dann erklang ein Gesang, von dem er nicht hätte sagen können, mit was er vergleichbar war. Er webte einen Schutz um ihn, legte sich auf seine Haut und versank in ihr. Ein Sirenenlied - aber keins, um ihn zu locken, sondern um ihn zu kennzeichnen.
    Als der Gesang verklang, lehnte sich die Sirene ein Stück zurück und betrachtete ihn eingehend. »Du bist es wert«, sagte sie. »Ganz der

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