Sirup: Roman (German Edition)
reicht’s!« Ich schaue in seine Richtung und sehe, daß er mit erhobenen Fäusten vor Tina steht. Tina wiederum würde ihn, soweit ich erkennen kann, am liebsten in Stücke reißen, und 6 steht zwischen beiden. Ich springe zu Boden und eile zum Schauplatz des Geschehens.
»Ich hab diese ewige Gemecker jetzt endgültig satt!« brüllt Kline. »Den ganzen Tag kritisiert sie nur an mir herum! Ich will sie hier am Set nicht mehr sehen!«
»Sie aufgeblasenes Arschloch…«, legt Tina los.
»Tina, am besten, du verläßt jetzt den Set«, bescheidet 6 sie kühl. »Vielen Dank für deine Hilfe, aber jetzt muß ich dich bitten, den Set zu verlassen.«
»Ohne mich gäbe es diesen Film überhaupt nicht«, kreischt Tina.
»Hey«, sage ich. »Was ist denn hier los?«
»Sie«, sagt Kline und sieht mich mit seinen Glupschaugen wütend an.
»Lohnknecht!« schmettert Tina Kline entgegen. »Leute wie Sie machen aus dem Kino eine kommerzielle Wüste…«
»Jetzt reicht’s!« brüllt Kline. »Wir sind fertig für heute!«
»Kline, bitte«, sagt 6, aber Kline schiebt sich an ihr vorbei. »Schluß für heute! Ihr könnt nach Hause gehen!«
Zu meinem Entsetzen packen die Techniker und die Schauspieler ihren Krempel zusammen. »Augenblick mal!« rufe ich, doch Kline genießt hier allem Anschein nach wesentlich mehr Autorität als meine Wenigkeit. Der Hangar leert sich allmählich, und zurück bleiben nur 6 und ich und eine bedrückende Stille.
6 starrt mit großen Augen ins Leere. »Nein«, flüstert sie. »Das darf nicht sein.« Ihre Augen inspizieren mein Gesicht, suchen nach Antworten.
Mir fällt gerade nichts Besseres ein, deshalb sag ich: »Ich hab mir bei Visuality ’ne Absage geholt.«
depression
6 schließt die Tür von Synergie auf und geht langsam hinein. Ihr Anblick macht mir richtig angst, deshalb nehme ich sie tröstend in die Arme. Doch sie nimmt mich überhaupt nicht zur Kenntnis. »Ich liebe dich«, sage ich hoffnungsvoll, muß jedoch auf eine Reaktion verzichten.
Ich mache schnell irgendwas Langweiliges zu essen, während 6 in ihrem Captain Kirk dasitzt und die Wand anstarrt. Sie ißt kaum einen Bissen, und ich muß sie drängen, sich bettfertig zu machen.
Als wir schließlich nebeneinanderliegen, nehme ich sie in die Arme und sage mit fester Stimme: »Wir schaffen es trotz-dem. Morgen biegen wir das irgendwie wieder hin.« Ich weiß zwar nicht, ob das wahr ist, trotzdem ist es wichtig, es auszusprechen.
6 schweigt. Ich ziehe sie ganz nah an mich heran und versuche sie, so gut es geht, zu trösten. Sie zittert am ganzen Leib.
ein symbolischer traum
Ich träume, daß 6 und ich in einem Auto sitzen, in irgendeinem Kabrio, und durch die Wüste fahren. 6 raucht eine Zigarre und wirft Spielkarten aus dem Fenster, lauter Buben, und jedesmal, wenn ich sie daran hindern will, gerät die Kiste ins Schleudern und erschreckt die Kakteen, die – wie ich staunend erkenne – Fukk aus Dosen trinken.
Ich lehne mich gerade zum x-ten Mal zu 6 hinüber, als irgendwas auf das Faltdach knallt und eine Hand das Vinyl durchstößt und mich an der Gurgel packt. Ich glotze nach oben und sehe Sneaky Pete, der grinsend über mir hockt. Seine dunkle Sonnenbrille glitzert im Sonnenlicht. »Du verlierst«, sagt er.
Ich drehe heftig am Lenkrad, und das Auto schleudert von der Straße, holpert über den Sand und prallt gegen einen Cola-trinkenden Kaktus. Sneaky Pete fliegt ein bißchen durch die Luft und landet in einer besonders dichten Kaktusgruppe. Doch in Wahrheit sind die Kakteen Filmstars in Kaktusanzügen, wie ich jetzt erkenne. Dann marschiert Sneaky Pete in unsere Richtung. Ich ziehe am Türgriff, doch er klemmt. Sneaky Pete kommt näher und näher, wird größer und größer und ragt jetzt turmhoch über dem Wagen auf. Ich weiß, das Ende ist nah, deshalb strecke ich die Hand nach 6 aus. Wenigstens die letzten verzweifelten Augenblicke will ich gemeinsam mit ihr erleben. Sie sieht meine Hand verständnislos an, und als Sneaky Pete dann die Tür aus dem Auto reißt, um uns herauszuziehen, hebt sie die Augenbrauen. »Genaugenommen«, sagt sie, »muß nur einer von uns beiden über die Klinge springen.«
ein schwarzer augenblick
Ich wache auf, und 6 liegt nicht neben mir.
Ich denke ein paar Minuten über diese neue Entwicklung nach – so lange, bis ich sicher bin, daß 6 nicht nur mal schnell ins Bad ist. Sobald diese Möglichkeit ausscheidet, schlage ich die Decke zurück und steige aus dem Bett.
Aus
Weitere Kostenlose Bücher