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Sirup: Roman (German Edition)

Sirup: Roman (German Edition)

Titel: Sirup: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Barry
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irgendwelchen Gründen mache ich das Licht nicht an. Das ist zwar nicht besonders plausibel, denn ich suche ja nach 6, und das Licht könnte mir dabei sehr nützlich sein. Wenn ich im Dunkeln herumtappe, bedeutet das also, daß ich ihr nachspionieren will. Ich weiß selbst nicht recht, warum ich das tue.
    Ich öffne vorsichtig die Schlafzimmertür, damit sie nicht quietscht. Auch dafür gibt es eigentlich keinen Grund. Ich trete in den Gang hinaus und sehe einen Lichtstreifen unter 6s Bürotür. Da also steckt sie. Ich stehe kurz da und denke nach, dann gehe ich zu der Tür hinüber.
    Ich lege meine Hand auf den Knauf und lausche, ob ich was höre. Ich höre, daß 6 irgendwas sagt, kann ihre Worte aber nicht verstehen. Wahrscheinlich telefoniert sie, denke ich zuerst, vielleicht bestellt sie ja noch ’ne Pizza – doch dann kapier ich: 6 führt Selbstgespräche.
    Ich öffne ganz, ganz behutsam die Tür. Ein vertikaler Lichtstreifen dringt aus dem Spalt, und dann sehe ich 6. Sie sitzt in ihrem Stuhl und starrt auf den Schreibtisch. Ihr Gesicht ist schneeweiß.
    »Nein«, murmelt sie. »Schließlich hat man uns extra für den Film abgestellt. Das geht nicht.« Sie seufzt und schließt die Augen. »Dann bleibt also nur noch die Möglichkeit… Scat zu opfern.«
    aber

    Ich weiß nicht, ob ich den Türknauf absichtlich oder vor lauter Schrecken loslasse. Doch egal – jedenfalls öffnet sich langsam die Tür.
    6 fährt hoch. In ihren Augen steht nackte Angst. Sie starrt mich lange an, und ich starre sie an.
    »Scat«, sagt sie, und ihre Stimme klingt leise und ernst. »Ich liebe dich so sehr.«

KAPITEL 000015
    Tändelei
    schnitt

    Ich hau einfach ab.
    richtungslos

    Draußen regnet es: die Art von Niesel, dem die Taxifirmen in LA ihr Geschäft verdanken. Ich hab zwar meine Coca-Cola-Kreditkarte bei mir, trotzdem gehe ich zu Fuß und bin schon bald bis auf die Haut durchnäßt.
    Ich brauche fast ’ne Stunde, bis mir einfällt, wo ich überhaupt hinwill.
    dach überm kopf

    »Scat«, tönt Cindys Stimme aus der Sprechanlage. »Bist du’s wirklich?«
    »Ja«, sage ich. »Ich bin’s.«
    Sie drückt auf den Summer, und ich drück die Tür auf. Schon auf halbem Weg kommt sie mir im Treppenhaus entgegen. Sie hat denselben Bademantel an wie damals an dem Morgen, als sie mich vor die Tür gesetzt hat. »Oh, du bist ja klatschnaß , armer Junge.« Sie nimmt mich tröstend in die Arme. »Los, komm schon rauf und zieh erst mal die nassen Klamotten aus.«
    »Okay«, sage ich.
    trost

    Cindy hat meine alten Kleider in einer Pappschachtel verstaut. Während ich mich im Bad abtrockne, legt sie mir ein paar von meinen Lieblingsfummeln vor die Tür. Dann hocke ich in voller Montur im Wohnzimmer vor dem Heizgerät und habe das Gefühl, daß ich nie weg gewesen bin.
    Ich erkläre Cindy, wieso ich nachts um eins auf der Straße herumirre, und ihre Antwort überrascht mich nicht weiter. »Hab ich doch immer gesagt, daß 6 dir nichts einbringt als Ärger. Tut mir leid, Scat, aber sie ist nicht die Richtige für dich. Das sieht doch jeder – nur du nicht.«
    »Ich weiß.«
    »Sie nutzt dich doch nur aus«, sagt Cindy und rutscht auf dem Sofa ein bißchen näher. »Sie denkt nur an sich selbst.«
    »Weiß ich«, sage ich erneut.
    »Aber du brauchst jemanden, der nicht immer nur nimmt, sondern auch geben kann«, sagt Cindy ernst, »das heißt das genaue Gegenteil von 6.«
    Ich sehe sie an. »Das heißt – jemanden wie dich?«
    »Na ja«, sagt sie und senkt den Blick. Kann sein, daß sie ein bißchen verlegen ist, aber in erster Linie fühlt sie sich geschmeichelt, glaub ich. »Ich bin immer für dich dagewesen, Scat. Das weißt du doch.«
    Ich glotze zur Abwechslung mal das Heizgerät an. »Aber hast du nicht gesagt, daß ich nicht gut für dich bin?«
    »Na ja…« Sie nimmt meine Hand. »Klar, du hast deine Macken«. Sie lächelt. »Manchmal bist du ganz schön egozentrisch. Außerdem fällt es dir nicht immer ganz leicht…« Sie verstummt.
    »…die Bedürfnisse anderer wahrzunehmen?« Ich kneife die Augen zusammen. »Wie 6?«
    »Nein«, sagt Cindy bestimmt. »Nicht wie 6, Scat. Du bist nicht wie 6.«
    »Vielleicht doch«, sage ich verzweifelt.
    »Scat, schau mich mal an.« Sie nimmt mein Gesicht zwischen beide Hände und dreht meinen Kopf in ihre Richtung. Echtes Kraftpaket – das Mädchen. »Du bist ein guter Mensch. Und du hast ein gutes Herz – glaub ich.«
    »Und wieso hast du mich dann rausgeschmissen? Wenn ich so

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