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Sirup: Roman (German Edition)

Sirup: Roman (German Edition)

Titel: Sirup: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Barry
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blickt sie sich wieder nach dem schwarzen Cola-Hochhaus um.
    Ich räuspere mich und schaue nervös in der Gegend umher.
    »Ich bin am Ende«, sagt 6 plötzlich. »Ich bin erledigt .«
    Ich seufze, was anscheinend die falsche Reaktion ist. 6 fährt herum, ihre Augen zu Schlitzen verengt. »Du«, faucht sie. »Ich dachte, du hast Ideen .«
    »O Gott«, sage ich genervt. Ein paar Anzüge gehen an uns vorbei, doch ich erspare mir eine nähere Inspektion. »Vielleicht ist es dir auf deinem kleinen Egotrip ja entgangen, aber eigentlich hast du mich doch reingelegt. Oder hab ich dich vielleicht darum gebeten, daß du mich in diese Scheiße mit reinziehst?«
    »Du kleiner Scheißer«, sagt 6, als ob dieser Umstand sie über die Maßen erstaunt. »Du Versager .«
    Ich drehe mich um und gehe weg.
    Ich bin mir ziemlich sicher, daß sie mir etwas nachrufen wird, doch muß ich trotzdem mindestens dreißig Meter gehen, bevor sie es tut. Das verschafft mir genügend Zeit, in meinem zermarterten Hirn Wetten darauf abzuschließen, was sie wohl sagen wird. Ich tippe auf »Scat! Warte!«
    »Arschloch!« schreit 6.
    und laß dich hier nicht mehr blicken

    Eigentlich kein schlechter Abschied, wären da nicht meine Klamotten gewesen, die sich noch komplett in 6s Wohnung befanden.
    scat kehrt zurück

    Ich muß ungefähr eine Minute auf die Klingel drücken, bevor Tina den Hörer abnimmt. »Hallo, Scat«, sagt sie argwöhnisch.
    »Hallo, Tina«, sage ich und gebe meiner Stimme einen leicht zerknirschten Ausdruck. Da es sich um meinen derzeit einzigen weltlichen Besitz handelt, ist mir viel daran gelegen, meine Klamotten wiederzubekommen.
    Es folgt ein unidentifizierbares Getuschel. Ich nehme an, daß Tina ihre Hand auf die Muschel hält und von 6 Instruktionen erhält. Schließlich sagt sie: »Was wollen Sie?«
    »Nur meine Sachen. Ich komm nur schnell hoch und hol sie und hau dann gleich wieder ab.«
    Wieder Getuschel. Dann wieder eine Pause. »Vielleicht möchten wir Sie aber nicht in der Wohnung haben.«
    Ich seufze vernehmlich. Irgendwo in 6s Wohnung wird eine Tür geschlossen. Dann flüstert Tina: »Kommen Sie schon rauf, Scat«, und die Haustür öffnet sich.
    wiedervereinigung

    Tina wartet schon – völlig ungeschminkt – oben an der Treppe. Sie trägt einen alten Trainingsanzug und sieht alles in allem bestürzend normal aus. »Sie ist im Bad.«
    »Sehr gut. Sie braucht ja gar nicht zu merken, daß ich hier bin.«
    Ich will schon hineingehen, doch Tina packt mich am Arm. Ich schau sie überrascht an, und sie gibt mir diesen Mein-Gott-wie-blöde-du-bist- Blick. Offenbar habe ich gerne mit Frauen zu tun, die sich auf diesen Blick spezialisiert haben: Eine lange Liste von Lehrerinnen, Exfreundinnen und Verkäuferinnen bezeugt dies.
    »Scat«, sagt Tina. »Sie ist im Bad .«
    Anscheinend verstehe ich nicht ganz. »Ja und…«
    Tina tritt ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. »Sie müssen sie trösten .«
    »Wow«, sage ich und befreie meinen Arm aus Tinas Griff. »Ich glaube, Sie wissen noch nicht, was heute bei Coke los war. Wir sind nicht sehr freundschaftlich voneinander geschieden.«
    »Egal«, sagt Tina. »Verlassen Sie sich auf mich. Sie braucht Sie.«
    Ich kann mich nicht mehr halten: Ich muß lachen. Und dieses Lachen hat genau den richtigen Klang – zynisch, hart und echt verletzend. »Tina, 6 hat schon mal meine Hilfe gebraucht. Das eine Mal reicht mir völlig. Ich weiß nicht, ob Ihnen das schon aufgefallen ist. Aber von 6 gebraucht zu werden kann höchst unangenehm werden.«
    »Männer«, sagt Tina angewidert und ist nach meinem Dafürhalten ziemlich ungerecht. Sie geht in die Wohnung und ich hinterher.
    Meine Sachen sind neben dem Sofa ordentlich aufeinandergelegt, und ich gehe hin und schnapp sie mir. »Mehr brauch ich nicht. War nett, Sie kennenzulernen. Weiterhin schönes Studium. Ciao.«
    Ich bin schon fast an der Eingangstür, als Tina sagt: »Und Ihr Rasierer – wollen Sie den etwa hierlassen?«
    Ich bleibe stehen.
    »Er ist im Bad«, fügt sie noch überaus hilfreich hinzu. »Offenbar ein gutes Stück.«
    Ich atme ein paarmal tief durch und schaffe es irgendwie, ein richtig böses Gesicht zu machen, als ich mich umdrehe.
    »Ooooh«, sagt Tina.
    »Tina«, sage ich ruhig, »würden Sie mir bitte den Rasierer holen?«
    »Hmmm, mal sehen…«, sagt Tina. »Nein.«
    »Also gut.« Ich werfe meine Sachen vor der Eingangstür auf den Boden. »Okay.« Ich marschiere entschlossen Richtung Badezimmertür, presse die

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