Sirup: Roman (German Edition)
Sneaky Pete hinter der nächsten Ecke vermuten. Schließlich holt 6 tief Luft und tritt nach draußen.
Natürlich herrscht auf den Gängen Normalbetrieb. Ein paar Leute haben sich um eine Kaffeemaschine versammelt und unterhalten sich über die Lakers. Ansonsten ist nur das unvermeidliche Geklapper der Computertastaturen zu hören. Alles sieht noch genauso aus wie damals, als ich zuletzt hier war – bis 6 mit dem Kopf auf ein leeres Büro weist. »Das war früher Brennans Zimmer. Jetzt residiert dort Sneaky Pete.«
Ich werfe einen Blick hinein. »Offenbar noch nicht da.«
»Nein«, sagt sie und legt die Stirn in Falten. Scheint ganz so, als ob sie beunruhigt ist, was mich wiederum in volle Panik versetzt.
Sie führt mich zu einer Sekretärin mit riesigen goldenen Ohrringen, die uns mit großen Augen entgegenblickt. »Hallo, Pam«, sagt 6 zerstreut. »Wo ist mein neues Büro?«
»Oh, darüber bin ich nicht informiert«, sagt Pam, und ich kapier plötzlich, daß diese Frau mich am Telefon an meine Mutter erinnert hat. Als ich sie jetzt so vor mir seh, bin ich echt erleichtert: Nein, Ähnlichkeit mit meiner Mom hat sie wirklich nicht. Wenigstens ein Problem, das ich jetzt nicht mehr habe. »Vielleicht erfahren Sie es ja in der Konferenz von Mr. Pete persönlich.«
6 hebt die Augenbrauen. »Konferenz?«
»O ja«, sagt Pam. »Er hat für neun Uhr im Sitzungszimmer eine Konferenz einberufen. Um sich den Leuten vorzustellen.«
»Verstehe«, sagt 6 gedehnt. »Danke auch.«
»Kein Problem«, sagt Pam und stiert wieder auf ihren Bildschirm. »Und noch eins, 6 – willkommen daheim.«
6 starrt nur auf den Teppich. »Eine Konferenz .«
zusammenkunft
Damit wir nicht neben der Kaffeemaschine herumhängen müssen, besorgt uns 6 ein Sitzungszimmer, und während der nächsten fünfundvierzig Minuten marschieren wir ruhelos in dem Raum auf und ab, starren aus der Tür auf die Bürozellen nebenan und trinken Kaffee. Ich selbst gehe zwischendurch noch mal schnell aufs Klo, während 6 ihr Fassungsvermögen unter Beweis stellt und drei Kaffee versenkt, ohne den Raum zu verlassen.
Ein paar Minuten vor neun herrscht plötzlich auf der ganzen Etage eine merkwürdige Unruhe. Leute blicken sich um, Telefonhörer werden aufgelegt, und einige Mitarbeiter bilden kleine Grüppchen.
»Es ist Zeit«, sagt 6 und steht auf. »Komm, gehen wir.«
@
Auf dem Weg zum Vorstandszimmer plaudern die Coke-Mannen und -Frauen zwar tapfer drauflos, doch es liegt eine nervöse Spannung in der Luft. Doch das ist wohl unvermeidlich, wenn man in einer Abteilung arbeitet, deren Vizepräsident gerade gefeuert worden ist, und etliche Leute Angst um ihren Job ha-ben – dazu noch, wenn der Neue jemand ist wie Sneaky Pete.
Wir schieben uns in den Vorstandsraum, und ich denke: Echt ’n merkwürdiger Zufall, daß wir nach unserem Triumph vom vergangenen Freitag ausgerechnet hier wieder zusammenkommen. Kann sein, daß das nichts zu bedeuten hat, vielleicht hat Sneaky Pete ja keinen anderen Raum mehr bekommen. Doch das kann ich nicht so recht glauben. Nein, ich bin mir sogar ziemlich sicher, daß er uns damit etwas sagen will.
Er sitzt bereits – in seinem Dreitausenddollaranzug wie hingegossen – an der Stirnseite des Tisches. Er wirkt entspannt und gut vorbereitet. Seine dunkle Sonnenbrille starrt ausdruckslos in meine Richtung.
Dann entdecke ich neben ihm eine junge Dame: das blondeste Mädchen, das ich je gesehen habe. Ihr schneeweißes Gesicht ist von weißglühendem, blondem Haar gerahmt, und im ersten Augenblick bin ich fast geblendet. Aus dem exquisit geschnittenen Gesicht blicken mir zwei kühle Augen entgegen, die so blau sind wie brennendes Glas.
Die Leute suchen hektisch nach einem Platz an dem Konferenztisch, doch das Mädchen legt sofort los. »Meine Damen und Herren«, sagt sie. »Danke, daß Sie gekommen sind.«
Ich sehe Sneaky Pete überrascht an, doch das Mädchen fungiert offenbar als seine Sprecherin. Er wendet seinen Blick kaum von mir ab.
»Mein Name ist @«, sagt das Mädchen. »Ich bin Mr. Petes persönliche Assistentin.« Sie läßt den Blick durch den Raum schweifen, und niemand wagt es, auch nur einen Pieps von sich zu geben. »Kommen wir jetzt zu den anstehenden Veränderungen.«
6 kocht vor wut
Um 10 Uhr 30 gibt es eine Kaffeepause, und 6 und ich verziehen uns in ein Sitzungszimmer nebenan, um miteinander zu reden. »Du kannst dich geschmeichelt fühlen«, sag ich. »Ein schöneres Kompliment hätte er dir echt nicht
Weitere Kostenlose Bücher