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Sirup: Roman (German Edition)

Sirup: Roman (German Edition)

Titel: Sirup: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Barry
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Straßen der Welt.
    Am ersten Tag wird diese Plakatwand ganz sicher einen wahren Massenansturm auslösen. Die Leute hören davon und sagen: »Unmöglich.« Und dann rennen sie los, um das Playmate höchstpersönlich in Augenschein zu nehmen. Nicht viel später kreuzen schon die ersten Demonstranten auf, und eine zehn Kilometer lange Blechschlange schiebt sich an dem Bild vorbei (respektive eine Blechschlange, die zehn Kilometer länger ist als üblich).
    Stellt euch vor, daß diese Plakatwand, aus welchen Gründen auch immer, ihren Platz behauptet. Sagen wir, der Kongreß hat das Gesetz, das die Erregung öffentlichen Ärgernisses untersagt, in irgendeinem Aktenkeller verlegt. Die entsprechenden Gesetzesblätter sind einfach unauffindbar. Die nackte Frau bleibt also, wo sie ist.
    Während der nächsten Wochen machen Männer aus dem ganzen Stadtgebiet unnötige Umwege, um die Schöne zu bewundern. Sie fragen ihre Kumpels: »Hey, wie wär’s mit einem Besuch bei dem nackten Engel am Sunset Boulevard?« Auf der Straßenseite gegenüber schießt schon bald der erste Nachtclub aus dem Boden.
    Doch das alles ist natürlich nicht von Dauer. Kann sein, daß es eine Weile so weitergeht, doch schließlich ist die Plakatwand den Leuten keinen Blick mehr wert.
    Denn Sex ist nicht etwa Sex.
    Sex ist Marketing.
    sex, sex, sex

    Solltet ihr gerade ein Herrenmagazin zur Hand haben, dann schlagt doch mal die »Playmate-Seiten« auf. Ihr wißt schon, die Sektion, wo das Blatt den schrumpfenden amerikanischen Produktivitätsvorsprung zu seiner Herzensangelegenheit macht, um euch dann plötzlich immer mehr Bilder nackter Frauen zu präsentieren.
    Außerdem wird man euch dort eine Auswahl von Frauen offerieren, und ihr könnt euch eine davon aussuchen. Sagen wir Stacy. Gar nicht übel diese Stacy. Wenn ihr euch dann näher mit Stacy auseinandersetzt, stellt ihr fest, daß auf der ersten Seite nur das Gesicht eures augenblicklichen Traummädels abgebildet ist. Nur ihr Gesicht. Und in einem kleinen Begleittext heißt es: »Stacy ist Zahnarzthelferin und reist für ihr Leben gern. Sie interessiert sich für die Oper, für Wildwasserrafting und für Männer mit einem harten Schwanz.« (Hier stellt sich natürlich die Frage, ob nicht das Magazin diese letzten Worte selbst hinzugedichtet hat. Wahrscheinlich blättert Stacy drei Wochen später zu Hause in ihrem Vorausexemplar und sagt: »›Männer mit einem harten Schwanz‹? Ich hab doch nur von der Oper und vom Wildwasserrafting gesprochen! O Gott, das verändert ja den ganzen Zusammenhang!«)
    Auf der nächsten Seite werdet ihr dann Stacys Gesicht und Stacys Po zu sehen bekommen. Vielleicht erhascht ihr aber auch schon einen Blick auf ihre halbentblößte Brust, aber nur einen kleinen Ausschnitt. Außerdem hat sich Stacy in diesem Stadium schon diverser Fummel halb entledigt, so daß man glatt meinen könnte, daß sie immer so rumläuft. Auf dem nächsten Bild sind Stacys Brüste dann in voller Pracht zu bestaunen, und zwar seitlich und von vorne. Möglicherweise verbirgt Stacy ihre Schmuckstücke aber auch noch mit einem Ausdruck totalen Erstaunens halb hinter ihren Händen oder Armen. Ja, sie macht ganz den Eindruck, als ob sie über ihre beiden Blickfänger selbst am meisten überrascht ist.
    Auf einem dieser Bilder ist dann auch schon mal Stacys Schamhaar im Anschnitt zu erkennen. Doch wenn ihr mehr sehen wollt, müßt ihr weiterblättern. Und dann ist es soweit: Stacy ist jetzt total nackt und sagt zu euch: »Okay, jetzt hab ich nichts mehr an. Meine Klamotten sind futsch. Nur Mut – warum riskiert ihr nicht einen Blick?«
    Meine Frage lautet nun: Wozu dienen die ersten Bilder einer solche Sequenz? Wer Stacys Brüste sehen will, findet sie in ihrer ganzen Pracht auf der letzten Seite. Tatsächlich kann man dort alles bewundern, was auf den ersten Bildern noch halb verdeckt ist.
    Die Antwortet lautet: Marketing. Man hat einem Stacy so geschickt wie möglich verkauft.
    Natürlich könnten die einschlägigen Magazine auch Seite für Seite nichts als total nackte Frauen präsentieren. Doch das würde nicht funktionieren. Ja, das wäre nicht mal erotisch. Es wäre vielmehr wie einer dieser Artikel in Cosmopolitan (»Sind Ihre Brüste normal?«), in denen sechs Durchschnittsmädchen dem Publikum ihre Brüste zeigen. Nein, es würde sogar noch weniger funktionieren, weil bei Cosmopolitan immerhin die heimliche Freude über das Wissen mitschwingt, daß diese Mädchen eigentlich gar nicht

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