Sirup: Roman (German Edition)
ganze Liste unserer Änderungswünsche abgenudelt, als die Logistik sie unterbricht. »Ich möchte hier noch etwas anmerken«, sagt der Mann. »Alle hier Versammelten haben den Diet-Life -Film gesehen, den unsere beiden jungen Freunde gemacht haben. Die Schauspielerin war einfach sensationell. Ich finde, wir sollten sie unbedingt für Backlash engagieren.«
Mir fällt glatt die Kinnlade nach unten. »Cindy?«
Um uns herum nur verständnisvoll nickende Köpfe. »Einverstanden«, sagt Kredit-Jean. »Besonders gelungen finde ich die Szene im Bad. Außerdem ist das Mädchen sehr hübsch.«
»Und sie hat Präsenz«, sagt die Revision. »Ja, wir wären wirklich dumm, wenn wir auf diese Vorzüge verzichten würden. Wirklich dumm.«
»Na gut«, sagt 6 und schießt mir einen Blick zu, »wir können sie sicher irgendwo als Komparsin einsetzen. Jetzt mein zweiter Vorschlag…«
»Nach meiner Auffassung«, sagt die Revision, »sollten wir sie für eine tragende Rolle in Betracht ziehen.«
»Können wir denn eine völlig Unbekannte neben all diesen Mega-Stars auftreten lassen?« überlegt eine Frau. Ihr Namensschild ist zwar von meinem Platz aus nicht richtig zu erkennen, aber ihr enges braunes Kostüm und ihre Frisur weisen sie als Führungskraft aus der Buchhaltung aus. »Könnte das nicht befremdlich wirken?«
»Hängt davon ab, wie wir sie verkaufen «, sagt die Logistik mit Verschwörerblick und stützt die Ellbogen auf den Tisch.
Das ganze Komitee verstummt und gibt sich redlich Mühe, diesen revolutionären Gedanken zu verarbeiten.
»Würden Sie diese Bemerkung bitte ein wenig näher erläutern?« sagt 6.
»Wie man weiß«, sagt die Logistik und rückt endlich mit ihrem Geheimnis raus, »geben die großen Hollywood-Studios ihren jungen Stars häufig einen Künstlernamen. Um sie für das Publikum interessanter zu machen. Große Stars wie Kirk Douglas und sogar John Wayne « – er blickt in die Runde – »haben mit einem ganz unscheinbaren Namen angefangen, den sich kein Mensch merken konnte. Erst als man ihnen einen neuen Namen verpaßt hat, sind sie plötzlich berühmt geworden.« Er zwinkert mir zu. »Wahrnehmung ist Wirklichkeit.«
Ich kann gerade noch den Impuls unterdrücken, mich über den Tisch zu lehnen und ihm eine zu knallen. Einem Menschen aus dem Marketing mit diesem Spruch zu kommen ist ungefähr so, als wenn man zu einem Buchhalter sagt: Entscheidend ist, daß Ihre Zahlen stimmen, oder zu einer frischgebackenen Mutter: Und vergessen Sie nicht, das Kleine zu füttern, sonst verhungert es.
»Dann braucht Cindy also einen neuen Namen?« sagt die Buchhaltung. »Damit sie beim Publikum besser ankommt?«
» Cindy ist eigentlich ziemlich leicht zu merken«, sage ich.
»Nein, sie braucht einen besonderen Namen«, sagt die Personalabteilung begeistert. »Etwas Unverwechselbares. Zum Beispiel… hmm… wie wär’s mit Cindy Cindy?«
»›Cindy Cindy‹?« sage ich entsetzt.
»Oder vielleicht Cindy Star?« schlägt die Buchhaltung vor. »Schließlich ist sie ja schon bald ein Star.«
»Cindy Hollywood«, wirft jemand ein. Kelvin, Herstellung.
»Holly Hollywood«, sagt die Logistik mit leuchtenden Augen.
»Cindy Starholly, vielleicht. Nein, Starry Cindwood.«
»Cindy Star.«
»Das hab ich schon gesagt«, zischt die Buchhaltung beleidigt.
»Weshalb nennen wir sie nicht einfach Babe-A-Licious«, sagt die Herstellung genüßlich.
Der Raum verstummt. Auch mir raubt dieser komplett idiotische Vorschlag zunächst einmal die Sprache.
»Einfach brillant «, sagt die Personalabteilung tief beeindruckt.
»Gute Arbeit«, sagt die Logistik. »Wirklich originell.«
» Entschuldigen Sie bitte«, sage ich, »aber Babe-A-Licious kommt nicht in Frage.«
»Keine schlechte Idee«, sagt die Revision. »Babe-A-Licious. Wirklich faszinierend.«
»Der Name prägt sich ein«, sagt die Herstellung und lehnt sich zufrieden in ihrem Stuhl zurück.
»Tut mir leid «, sage ich. »Aber dieser Name ist doch völlig lächerlich.«
Das Komitee macht große Augen. 6 versucht die Situation zu retten: »Eigentlich wollte Scat sagen, daß der Name irgendwie nicht paßt… daß er nicht ganz glaubwürdig klingt.«
» Ich finde den Namen innovativ «, sagt die Buchhaltung. »Richtig… ja, wie sagt man noch… kreativ , ja, das ist es.« Die anderen Mitglieder des Komitees sind ganz hin und weg, weil die Buchhaltung so freigiebig mit Marketingbegriffen um sich wirft. »Absolut kreativ «, wiederholt sie noch einmal und nickt
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