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Sister Sox

Titel: Sister Sox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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sie werden, desto mehr geht ihnen das öde Weiß auf die Nerven. Also schließen sie einen Kompromiss und bleiben im Prinzip weiß gekleidet, das heißt bei den Hosen und Schuhen, kombinieren das aber mit bunten Hemden. Die Gier nach Farbe ist so groß, dass ihre Hemden immer bunter und geschmackloser werden. Nach ungefähr zwanzig Berufsjahren sehen sie dann wie Medizinmänner eines Hippiestamms aus.
    Olga lächelte. Der Doktor fuhr sich durchs graue Haar und tastete nach der Brusttasche. Wahrscheinlich hatte er dort mit einem Clip die Scheine zusammengeheftet, die er nun verjubeln würde. Er gab sich einen Ruck und steuerte auf die Theke zu. Die Gelegenheit war günstig, die beiden hinter der Bar würden abgelenkt sein.
    – Lass uns hochgehen zu dir, sagte ich zu Olga.
    Erstaunt, fast ein wenig enttäuscht sah sie mich an. Dann stand sie auf, und ich ging dicht hinter ihr her.

25
    Olgas Zimmer war durch nach oben gerichtete Strahler an den Wänden in ein gnädiges Halbdunkel getaucht. Die Einrichtung war spärlich: Bett, ein Plüschsessel, Tisch und Stuhl sowie eine Waschgelegenheit. Mit lila Tüll hatte man versucht, eine romantische Jungmädchenatmosphäre hinzudekorieren. An den Wänden waren Stoffdrapierungen angebracht und mit silbrigen Ketten behängt, so als gäbe es hier einige mit Tüllstores umwölkte Fensterchen, durch die man wohl denen da draußen mitteilen sollte, wie schön es hier drinnen ist. Über dem Bett, das mit einem ebenfalls lila Spanntuch bezogen war, hatte man einen besonders ausladenden Stoffbausch befestigt. Am Kopfende lag ein in die Jahre gekommener, schon etwas räudiger Pink Panther .
    Ich war in Umstände geraten, in denen ich dauernd eins übergebügelt bekam und von einem Ort zum anderen getrieben wurde, ohne dieser üblen Geschichte auf den Grund gehen, ohne die Sache in den Griff bekommen, sogar ohne die Drahtzieher windelweich prügeln zu können. Man hatte das Ruder abgegeben und schlingerte herum. Logischerweise verliert man zwischendurch jede Ahnung davon, warum man sich diesen Spießrutenlauf überhaupt antut. Aber in diesem Dahingedumpfe gibt es immer wieder lichte Momente, die einem alles klar machen. Hier drinnen in diesem Zimmer mit der scheußlichen Billigdeko, wo sogar ein Elvissong im Arrangement der Schlumpfstimmen gespielt wurde und der Kunde romantisch animiert seinen Schwanzauspackt, um es einer ganz Jungen zu besorgen, hatte ich keine Fragen mehr, weil ich von der Vorstellung gepeinigt war, dass Pia ebenfalls in solchen Verhältnissen steckte. Antworten hatte ich natürlich trotzdem keine, aber der saumäßige Hass, der in mir hochkam, ließ meinen energetischen Pegel derart hochschnalzen, dass es in meinem Hinterkopf einen Schlag tat, als hätte ich den Holzhammer erfolgreich auf den Lukas gewuchtet. In diesem Zustand war man nicht auf Erkenntnis, sondern auf Aktion aus. Allerdings hatte ich nicht mit Olga gerechnet.
    Olga hatte ihre Schuhe und ihr Kleid abgelegt und stand in geblümter Mädchenunterwäsche vor mir.
    – Zieh dich an, Mädchen, sagte ich barscher als ich wollte.
    Olga schaute hilfeheischend im Zimmer umher. Damit hatte sie nicht gerechnet. Vielleicht gab es irgendwo einen Knopf, der einen Schläger wie Rattelhuber aufs Zimmer stürmen ließ. Oder sie würde zu schreien beginnen. Jedenfalls sah sie aus wie eine, die vor einer Kurzschlussreaktion stand. Also griff ich meine Tasche, zog einen meiner letzten Scheine heraus und gab ihn ihr.
    – Ausfallhonorar. Ich will das nicht, ich habe hier was anderes zu erledigen.
    Olga nahm den Schein und verstaute ihn in der Schublade ihres Nachttischs. Dann schlüpfte sie wieder in ihr Kleid, setzte sich aufs Bett und holte ihren Pink Panther auf den Schoß. Ich zog ein Bild von Pia aus der Tasche.
    – Kennst du die?
    Olga schaute zunehmend bewegt auf das Foto. Es wareines der Bilder, die im Netz gestanden waren. Mit feuchten Augen schüttelte Olga den Kopf. Dann legte ich ihr ein Bild vor, auf dem der Mann mit dem tätowierten Schwanz zu erkennen war.
    – Und den hier? Weißt du, wer das ist? Boris vielleicht?
    – Boris Zakow? Wirklich, ich weiß das nicht. So kann ich das nicht beurteilen.
    – Letzter Versuch, sagte ich.
    Diesmal war Sascha darauf zu sehen. Das Totenbild.
    – Oh mein Gott, sie haben sie umgebracht.
    Olga wurde von einem Krampf geschüttelt und warf sich aufs Bett. Sie weinte hemmungslos. Ich sprang auf, packte sie an den Schultern und schüttelte sie. Erschrocken fuhr sie

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