Sister Sox
Kontakte wahrscheinlich mit dem Zusatz reif inserierte. Ihren früher vermutlich aggressiveren Schick hatte sie ins Cremefarbene ausbleichen lassen. Sie trug hochhackige Schuhe und trotz der Hitze eine Jacke in zartem Käsekuchengelb, deren weiter Kragen hochgeklappt war. Er blieb aber nur aufrecht stehen, weil sie ihn mit über der Brust verschränkten Armen ständig hochhielt. Man ging eben gern mal als Königin, selbst wenn man nur ein Mopshündchen mit rosa Schleifchen um den Block schleifte.
– Servus, ich bin die Gisela. Gibst du einen aus?
Sie lächelte mich an. Die ganze Zeit hatte ich mir überlegt, wie ich wohl am unauffälligsten in die Oase käme. Diese Frage war nun beantwortet.
– Klar.
Gisela schwankte neben mir auf ihren hohen Stöckeln, als gehe sie auf Stelzen. Sogar ein Kind hätte sie mühelos umwerfen können, zumal der Rock, der sich wie eine Fessel um ihre Oberschenkel legte, mehr als eine Nummer zu eng war. Selbst John Wayne hätte sich derart verschnürt wie beim Sackhüpfen fortbewegt. Es war eine große Leistung von Gisela, sich in so unzweckmäßiger, ja behindernder Kleidung durch die Hitze zu schlagen. Warum, dachte ich, trägt die doofe Kuh eigentlich keine Hose und bequeme Schuhe? Als habe sie meine Gedanken erraten, guckte sie mich mit treuherzigem Dackelblick an und bat um meinen Arm. Sie war ja so hilflos.
Vor dem Eingang der Oase hatte sich ein vierschrötigerTürsteher aufgebaut. Eine paramilitärische Type in schwarzen Springerstiefeln und einem eng anliegenden olivgrünen T-Shirt, durch das sich zwei Brustwarzen wie Holzdübel abzeichneten. Aber im Geschwader mit Gisela hatte ich kein Problem.
– Servus Benni, sagte sie und drückte auf eine seiner Warzen wie auf einen Klingelknopf.
– Lass den Schmarren, raunzte Benni und wischte ihre Hand weg.
So souverän betraten wir zu dritt das Vergnügungscenter, Fritzi das Möpschen vorneweg. Drinnen legte Gisela ihre Jacke ab. Sie trug ein knapp sitzendes Lastexhemdchen darunter, leopardgemustert, aber ins Hellblaue abgedimmt. Vielleicht ist das eines der letzten großen Welträtsel, warum die Männer, die hier ein und aus gehen und die doch zum überwiegenden Teil so praktisch veranlagt sind, dass sie zumindest Nut- und Federbretter zusammennageln können, einer solchen Frau nicht den gutgemeinten Hinweis geben: Schätzchen, dein Rock ist zu knapp, und cremefarbene Leos wirken ziemlich billig. Aber vielleicht löst sich dieses Rätsel genau andersherum: Das Behinderte und Billige ist der Kern der Sache. Der Mann steht am Tresen, sein Verstand ist pilsbenebelt. In diesem Zustand entwickelt er eine basale, füchsische Schläue und denkt: So eine unbedarfte Person kriege ich doch leicht herum. Wäre doch gelacht, wenn ich dieses dumme Weib nicht für ein paar Euro flach legen könnte. Und die Frauen registrieren das, haben sogar Antennen dafür, wenn sie einer von hinten anstarrt, und gehen zum Schein darauf ein. Aber spätestens, wenn Geld auf den Tisch desHauses gelegt werden muss, merken die Schlauberger, dass sie sich geschnitten haben. Aber dann ist es zu spät, und sie sind so gut wie draußen.
Gisela bat mich um Feuer, ich sie um eine Zigarette. Sie beugte sich über den Tisch, und ihr Parfüm schwallte mich an. Ich hatte im Moment nicht die geringste Ahnung, wie ich es anstellen sollte, Carmello zu finden und ihn rauszuholen, ganz abgesehen davon, dass meine Mission damit nicht beendet war und ich ja sonst noch einiges herausbekommen wollte. Im Wirtshausdeutsch gesagt, blieb mir nichts anderes übrig, als die Lage zu kontrollieren und vor mich hin zu starren.
Im Moment mochte vielleicht ein Dutzend Personen im Raum sein, fast so viele Männer wie Frauen. Meine Fraktion gab hier ein ziemlich schlechtes Bild ab. Die Tür ging auf, und ein Taxifahrer schob einen rotgesichtigen, grinsenden Bauern herein, der offenbar schon einiges getankt hatte. Dann ging der Fahrer zur Theke und deutete mit dem Finger auf den ungeschlachten Lodenkerl.
– Der ist von mir.
Die Bardame gab ihm einen Zehneuroschein. Der Bauer, der es irgendwie geschafft haben musste, seine Frau abzuhängen, setzte sich nach hinten in die Ecke, von wo er einen guten Überblick hatte. Er schob seinen Filzhut in den Nacken und machte die Beine breit, um sich bequemer auf den Oberschenkeln abstützen zu können. Die gebotene Auswahl schien ihm Freude zu bereiten, nacheinander visitierte er die Frauen. Eine, die an der Theke stand, starrte er an, dass man das
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