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Sister Sox

Titel: Sister Sox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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sein, aber so, wie sie zurecht gemacht war, war sie bereits aufgeklärt und hatte auch schon die Pferdephase hinter sich. Sie trug eine weiße Trainingshose mit rosa Seitenstreifen und ein ebenso rosafarbenes, kurzes Top, das man bei entsprechender Füllung BH genannt hätte. Um den Hals hatte sie sich bunte Ketten gehängt. Sie war stark geschminkt, und ihr blondiertes Haar war girliemäßig seitlich versetzt oben zum Schwanz gebunden.
    – Hallo, bist du Gossec?
    Sie zog sich beide Stöpsel heraus.
    – Ja. Und wer bist du?
    – Friederike.
    Dieser Name war eine echte Überraschung.
    – Tatsächlich?
    Sie wurde ganz verlegen.
    – Na ja, eigentlich Ricki.
    – Also, was gibt’s, Ricki?
    Dann schnurrte sie eine Nachricht herunter, die so klang, als spiele man seinen Anrufbeantworter im Schnelldurchgang ab.
    – Carmello schickt mich. Sie haben ihn geschnappt. Die von der Oase . Du musst ihn rausholen. Jetzt gleich. Sonst isses zu spät. Okay?
    Ich sperrte den Laden auf.
    – So, Ricki, jetzt gehen wir mal rein, und du erzählst mir das Ganze schön langsam noch mal von vorn in der Giga-Langfassung.
    Ricki machte einen erschrockenen Sprung zur Seite. Unschlüssig stand sie da.
    – Was zu trinken gibt es auch.
    Zögerlich trat sie ein.
    – Was denn?
    – Eistee, sagte ich. Pfirsich oder Mango.
    – Okay, ich nehm Mango.
    Ich platzierte sie auf meiner Ottomane, die ich als Jugendstil-Möbel unter die Leute zu bringen versuchte. In der Küche machte ich den Tee zurecht.
    – Es gäbe noch Geleebananen!
    – Hä?
    Beinahe hätte ich sie verprellt. Geleebananen gehören wie Dominosteine und Waschlappen zu den Köstlichkeiten, die bei der Jugend ihre beherrschende Stellung im Warenkorb der Süßigkeiten eingebüßt haben. Nur die Gummibären haben sich behauptet.
    – Vielleicht Prinzenkeks?
    – Na gut.
    Ich stellte ein Tablett vor sie hin.
    – Wann und wo bist du Carmello begegnet, und woher weißt du, dass ich ihn kenne?
    – Weil er’s gesagt hat.
    Es war zum Verzweifeln. Ricki war der geordneten Berichtsform nicht mächtig. Man musste ihr Stück für Stück, Frage für Frage den Sachverhalt aus der Nase ziehen, der sich, wenn man ihr glauben durfte, ungefähr so darstellte: Sie war heute früh mit ihrer Mutter im Wal Mart einkaufen gegangen. Weil sie ihrer Mutter und die ihr unheimlich auf den Nerv gegangen war, machte sie sich selbstständig. Eigentlich nur um zu pinkeln. Dann aber war sie ein wenig vom Gelände abgekommen und bei der Oase gelandet. Ein schickes Lokal, das man bei ihnen in Milbertshofen gut kennen würde. Also lief sie ein paar Mal drumherum, ob es was zu sehen gäbe, bis von unten her aus einem vergitterten Keller Carmello heraufrief.
    – Und das, sagte Ricki mit einer Geste der Verzweiflung, habe ich dir haarklein gesagt: Carmello schickt mich. Sie haben ihn geschnappt. Die von der Oase . Du musst ihn rausholen. Jetzt gleich. Sonst isses zu spät. Und mehr ist nicht. Okay?
    – Und das ist alles?
    – Fast.
    Ricki druckste herum.
    – Sag schon.
    – Er meinte, du würdest dich für die Information sicherirgendwie erkenntlich zeigen. Ich bin extra hierher gekommen und so.
    Auf eine für mich nicht nachvollziehbare Weise hatte ich offenbar etwas an mir, das solchen halbwüchsigen Maden das Gefühl gab, bei mir sei etwas zu holen. Das Onkelgen! Ich öffnete die Ladenkasse, aber dort befand sich nicht mal mehr ein Knopf. Also führte ich sie zu dem Glaskasten, in dem Wappen und Abzeichen auf roten Samt gesteckt waren.
    – Such dir was aus.
    Sie entschied sich für ein Eisernes Kreuz Klasse I und ein Medaillon mit Atomgegnerzeichen. Das ist meine Rede schon immer: Die Jugend ist politisch indifferent. Dann schickte ich sie nach Hause. Ich klemmte mir wieder den Totschläger in den Hosenbund, steckte noch ein Klappmesser ein und setzte mich in meinen Bus, um Richtung Euroindustriepark aufzubrechen.

23
    Der durchschnittliche mitteleuropäische Prolet lacht sich einen Ast, wenn er eine weiß geschminkte Japanerin im Kimono auf hohen Schuhen mit Trippelschrittchen so rasch wie ein Uhrwerk in ihrer Schiebetürhütte von einem Ende zum anderen huschen sieht, um zum Beispiel den Futon aufzurollen. Wenn man sich klar machte, wie bescheuert eine durchschnittliche mitteleuropäische Nutte aussieht, würde man sich da doch mehr am Riemen reißen. Ich hatte meinen Bus sicherheitshalber beim Wal Mart geparkt und ging das letzte Stück zur Oase zu Fuß. Da begegnete ich ihr, die in der Rubrik Sonstige

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