Sister Sox
Gefühl hatte, er würde sie mit den Händen abtasten.Das sind solche Situationen, wo auch der ethnologisch ungebildete Mensch sofort versteht, warum Amazonas-Indianer, die ansonsten nackt sind, wenigstens einen Köcher vor den Penis geschnallt haben. Der Filzhut taxierte sein Gegenüber und ging im Kopf seine Checkliste durch: Gesicht? Doof. – Brust? Eins A. – Bauch? Passt schon. – Becken? Kannst vergessen. – Arsch? Super!
Schlimmer noch war der Ripper -Typ am Tisch nebenan, der die Frau geradezu filettierte. Sein Blick kam von unten herauf wie bei Hunden, er war mit einem Lauern verbunden, mit einem stillen, irgendwie gefährlichen Schmachten, weil man spürte, dass es durch eine heftige Aggressivität abgelöst werden konnte. Bei ihm war schon im Ruhezustand alles feucht: Augen, Mund und der Schwanz in der Hose.
Hinter ihm saß ein dicker Simpel in einer braunen Cordhose mit eng geschnalltem Riemen, der seinen Bauch zweiteilte. Weit vorne auf der Nase hatte er eine Lesebrille mit halben Gläsern und studierte die Getränkekarte. Viel gab es ja nicht, nur Rot- und Weißwein, Sekt als Piccolo oder größer und Bier. Trotz der leichten Lektüre machte er einen angestrengten Eindruck und schob seinen Zungenwulst von einem Mundwinkel in den anderen. Endlich kam die Bardame im kurzen Röckchen und mit weit ausgeschnittenem Top. Immer noch mit dem Zungenwulst zwischen den Lippen, scannte er sie in drei Tranchen: Zuerst das Gesicht, dann Brust und Oberkörper, schließlich den Unterleib. Das Ergebnis fiel ziemlich gut aus, denn er setzte ein Lächeln auf und versuchte, mit ihr Kontakt aufzunehmen.
– Hallo, sagte Gisela, ich bin auch noch da.
– Noch ein Pils, fragte ich.
– Was ist mit uns zwei? Gehst mit rauf?
– Nein.
Herumzuschwafeln hatte keinen Sinn. Eine wie Gisela ließ sich nicht lange hinhalten.
– Kannst du nicht, oder willst du nicht?
– Bist doch nicht mein Typ, okay?
Gisela stand abrupt auf. Da wurde nicht lange gefackelt, wenn kein Geschäft ging, ging eben keines. Kontakt abgebrochen. Länger alleine dazusitzen, war gefährlich. Aber die Bardame führte Regie und schickte eine ziemlich junge, blonde Frau an meinen Tisch, die sich abseits von allen an die Theke gesetzt hatte.
– Darf ich, fragte sie.
– Bitte!
Ihr Deutsch war gebrochen.
– Woher kommst du?
Sie zuckte die Achseln.
– Von irgendwo aus Russland.
– Dein Name?
– Olga.
Olga trug ein kurzes schwarzes Kleidchen. Ihre langen Beine waren ohne Strümpfe. Seltsam waren nur ihre Augen. Ihr Blick schien verschleiert. Von nebenan hörte ich eine bullernde Stimme. Die Tür wurde aufgerissen. In der Füllung stand das dicke Vieh mit der Bierwampe, mit dem ich hier aneinander geraten war. Schöne Scheiße!
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Der Dicke verschaffte sich einen Überblick, wie das Geschäft lief. Ich drehte mich von ihm weg, so dass ich ihm den Rücken zukehrte. Außerdem machte ich den Buckel krumm und zog den Kopf ein. Das fühlte sich verdammt beschissen an, so als ob mir jemand von hinten Löcher ins Hemd kokeln würde.
– Was macht er denn, fragte ich.
– Rattelhuber? Er prüft die Bons.
Olga flüsterte nur noch. In ihren Augen glaubte ich Panik zu erkennen. Ihr Blick wurde unstet. Sie wusste, dass sie nun sichtbare Aktivitäten zur Umsatzsteigerung an den Tag zu legen hatte.
– Möchtest du bitte noch etwas zu trinken?
Ich schüttelte den Kopf, womöglich servierte Rattelhuber persönlich das Getränk. Dann war ich geliefert. Aber so war ich auf meinem Stuhl festgenagelt und bekam noch nicht einmal mit, was diese brutale Sau hinter meinem Rücken anstellte. Womöglich angelte er sich bereits die Knarre aus dem Blechschrank. Diesmal geladen. In dieser misslichen Situation betrat zum Glück ein Neuankömmling die Oase . Weiße Hose, weiße Schuhe, dazu eine Art Buschhemd, so knallebunt, wie es auf dieser Welt nur noch cocktailshakende Schwarze in der Palmenbar auf den Bahamas tragen. Gott sei Dank! Von wem sollte die Rettung denn kommen, wenn nicht von einem Arzt?
– Kennst du den, wollte Olga wissen, die meine Blicke zu deuten versuchte.
– Den Arzt? Nie gesehen.
– Woher weißt du dann …?
– Dass er Arzt ist? Ärzte tragen Weiß. So erkennt sie jeder. Helferinnen, Krankenschwestern und Patienten wissen sofort, wen sie vor sich haben und wem sie zu Willen sein müssen. Und weil das in der Arbeit wie am Schnürchen klappt, tragen Ärzte auch privat gern Weiß, damit ihnen auch andere zu Willen sind. Nur, je älter
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