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Sister Sox

Titel: Sister Sox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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sich ganz hinten an der Theke langsam ein Kopf hob und vorsichtig über die Tischplatte lugte. Ein Blick wie durch eine Schießscharte nach draußen. Eine Frau. Was sah sie? Einen Mann in Lederjacke mit einer Eisenstange und einer Einkaufstasche in der Hand, der sich gewalttätig Einlass in die Bank zu verschaffen suchte. Kurze Zeit später führten sie mich ab.
    So wird man hart, auch als Mann, und legt jede Wehleidigkeit ab.
    Der Zwerg hatte mich zwar gefilzt und meinen Totschläger kassiert, das Messer hatte er jedoch nicht gefunden. Ich hatte es in meinen Gürtel geschoben, einen Geldgürtel, der mit einem Reißverschluss zu öffnen war. In der Eile hatte mich der Zwerg so nachlässig verschnürt, dass ich in der Lage war, den Gürtel herumzuziehen, um an das Messer zu kommen. Kurze Zeit später hatte ich mich losgeschnitten und sah mich in dem Magazin um. Ganz hinten war eine weitere Tür, und ich hatte den Eindruck, dass da ein Scharren am Holz war, als bettle ein Hund darum, eingelassen zu werden. Ich öffnete die Tür und hörte ein ersticktes Stöhnen. Jemand wälzte sich auf dem Boden, um auf sich aufmerksam zu machen. Es war Carmello, verschnürt wie ein Rollbraten. Dazu hatten sie ihm mit einem Klebeband einen Knebel verpasst. An seinem Kopf hatte er eine blutige Kruste, den Verband hatte er verloren. Ich band ihn los.
    – Ruhig. Keinen Laut.
    Ich half ihm auf und bedeutete ihm, mir zu folgen. Er machte Anstalten dazu, torkelte jedoch wie ein Betrunkener und fiel wieder zu Boden. Wahrscheinlich waren seine Beine durch die lange Abschnürung noch ganz taub. Ich packte ihn und setzte ihn drüben auf einen Stuhl. Ein wenig Zeit musste ich ihm noch geben, damit das Blut wieder zirkulierte.
    Ich schaute mich in dem Magazin um. Unten neben Gläsern und leeren Flaschen stand eine große Werkzeugkiste. Da ich Ausschau nach einem Instrument hielt, mit dem ich mich verteidigen konnte, öffnete ich sie. Ein an und für sich friedlicher Mensch wie ich, der den Kriegsdienst verweigert hat, sollte sich einem solchen Ding gegenüber, das vor mir lag,spröde zeigen. In meiner Lage jedoch gewann ich die Kalaschnikow sofort lieb. Sie war in ein öliges Tuch eingewickelt. Daneben, sauber in Schachteln verpackt, lagen Patronenmagazine. Und Werkzeug gab es auch noch. Na sdorowje – nun waren wir gerüstet.
    Carmello massierte mit schmerzverzerrter Miene seine Beine.
    – Schaffst du es, fragte ich.
    Er stand auf, machte eine mühsame Kniebeuge und nickte.
    – Los dann!
    Ich hebelte die Tür mit einem Stemmeisen auf, das ich in der Kiste gefunden hatte, und wir gingen vorsichtig den Gang hinunter bis zur Treppe. Oben war alles verdächtig ruhig.

28
    Auch im Treppenhaus brannte kein Licht. Die Oase mutete wie ein verlassenes Haus an. Ich sagte Carmello, der unsicher hinter mir her taperte, er solle sich an meinem Gürtel festhalten. Wie eine Elefantenmutter ihr Junges geleitete ich ihn hoch. Ich lauschte an der Tür zur Bar, kein Musik, kein Gläserklirren, keine Unterhaltung. Carmello mit in den ersten Stock zu nehmen, schien mir zu gefährlich. Ich überlegte kurz und entschied mich für das Nächstliegende.
    – Du bleibst hier und sperrst dich da ein, bis ich dich raushole, klar?
    Ich zeigte auf die Toilette. Carmello schüttelte den Kopf.Diese Faxen hatte ich nun satt. Ich holte aus, als wollte ich ihm den Kolben der Kalaschnikow in die Rippen hauen. Carmello verschwand, so schnell er konnte, in der Toilette.
    Leise, Schritt für Schritt, arbeitete ich mich hoch. Oben an der Tür war das obligatorische Schild Privat, kein Zutritt! Ich entsicherte mein Gewehr und drückte die Klinke mit dem Ellenbogen auf. Ich stand im Vorzimmer eines Büros. Alles machte hier einen guten Eindruck, tipptopp aufgeräumt, wie es eben gut organisierte Officemanager gern haben. Auf dem Schreibtisch lag ein Ausdruck. Ähnliches hatte ich bei Versicherungen schon gesehen, nur eben andersherum. Bei der Liste handelte es sich um eine Progressionstabelle für die Verursachung von Invalidität. Inklusive Gliedertaxe. Verprügeln, 300 Euro , Finger brechen, 400 Euro stand da. Arm brechen, 600 Euro . Nach diesem Muster war ein komplettes Leistungspaket aufgefächert. Ich steckte das Papier ein, vielleicht brauchte ich später einmal ein Beweisstück.
    Auf Zehenspitzen schlich ich weiter ins Nebenzimmer. Da drinnen sah es übel aus. Glassplitter am Boden, Stühle umgekippt. Offenbar hatte man von draußen durch das Fenster geschossen. Dann sah ich

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