Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sister Sox

Titel: Sister Sox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
Vom Netzwerk:
nichts von ihrer abstoßenden Hässlichkeit.
    – Vorwärts, sagte er.
    Sie stießen mich den Gang entlang und dann eine Treppe hinunter in den Keller. Dort schafften sie mich in ein vergittertes Zimmer, eine Mischung aus Aufenthaltsraum und Magazin. Rattelhuber wies auf einen Stuhl.
    – So, jetzt unterhalten wir uns in aller Ruhe. Und wenndu versuchst, mir einen Bären aufzubinden, gibt es Schläge, klar?
    Eine Antwort erübrigte sich. Denn wieder ging alles sehr schnell. Oben wurde es laut, ein Tumult hob an.
    – Die Italiener, schrie eine Frauenstimme von oben.
    Rattelhuber und der Zwerg schossen von ihren Stühlen hoch. Rattelhuber besann sich noch einen Moment.
    – Bind ihn an den Stuhl, befahl er dem Zwerg.
    Mit einem Riemen fesselten sie mich an den Stuhl, dann liefen sie hinaus, nicht ohne die Tür von außen zuzusperren. Von draußen war Geschrei zu hören, Glas zersprang und Schüsse krachten. Das ging eine Weile hin und her, schließlich war alles wieder ruhig.

27
    Vor einigen Minuten hätte ich noch schreien mögen, jetzt ging es mir schlagartig besser. Nicht nur, weil die beiden draußen waren und mir damit einiges, vorläufig zumindest, erspart blieb. Nein, auch sonst. Die große Kunst im Leben ist, sich sofort wieder aufzurappeln. Ich weiß, dass es von Frauen heißt, sie vertrügen mehr Schmerzen als Männer. Wegen der gynäkologischen Prozesse, Risiken und so. Dass die Männer im Prinzip wehleidiger sind, mag ja sein. Für mich gilt das aber nicht. Ich bin Schmerzen gewöhnt. Bei der Wahrscheinlichkeit, mich zu verletzen oder eins auf die Rübe zu bekommen, erreiche ich locker einen Spitzenwert. Ich bin einer der Fälle, die in jeder Statistik eliminiert werden, weil solche Ausreißer die Aussage über die Mittellage verfälschen. Wenn einer irgendwo in Kleinhadern beschließt, dem Nächstbesten eine Ohrfeige zu verpassen, dann sorgt das Schicksal dafür, dass ich ihm rechtzeitig über den Weg laufe.
    Neulich ging ich bei Grün über die Lindwurmstraße Richtung Theresienwiese. Der Fahrer eines BMW trat so spät in die Eisen, dass mich die Stoßstange seiner Luxuskarosse touchierte. Freundlich, so wie man an eine Tür klopft, pochte ich auf seinen Kühler. Postwendend sprang ein türstehergroßer Kerl mit glatt rasiertem Schädel und Brilli im Ohr aus dem Wagen, um eine Schlägerei zu beginnen. Ich hätte in seinen Wagen eine Delle geschlagen. Natürlich habe ich inzwischen gelernt, mich zur Wehr zu setzen, oder besser noch: dem anderen zuvorzukommen. Man ist, Karma hin oder her, nicht auf der Welt, um sich die Hucke vollhauen zu lassen. Diese simple Erkenntnis aber musste ich erst in meinen Schädel kriegen.
    Früher war das anders, da war ich verblüfft oder erschrocken. Einmal, ich lebte damals noch mit Iris zusammen, brach ich auf, um Milch für die Kleine zu holen. Zweieinhalb Stunden später erhielt Iris einen Anruf aus dem Präsidium, dass ich wegen versuchten Bankraubs in U-Haft saß. Genau genommen war Iris daran schuld.
    – Nimm die Vorhangstange mit, hatte sie gerufen.
    Von einer schmiedeeisernen Vorhangstange war eine Rosette abgebrochen. Die musste zum Schlosser. Also packte ich das Ding und ging los. Vor dem Milchgeschäft merkte ich, dass ich kein Geld eingesteckt hatte. Kein Problem, dachteich, gegenüber hatte eine Bank mit EC-Automat neu eröffnet. Kurz mal Geld ziehen! Ich steckte meine Karte in den Schlitz, gab meine Geheimzahl und den Betrag ein. Ich wartete. Vorgang abgebrochen! , meldete der Apparat. Pech, dachte ich, nun muss ich doch noch mal nach Hause, um Geld zu holen. Doch der Automat hatte meine Karte verschluckt. Durch den Schlitz hindurch konnte man sehen, wie der Automat meine Karte umklammert hielt. Derselbe Effekt wie bei den Sparbüchsen früher: Hinein glitt alles wie ein Messer durch Butter. Wenn aber die Metallzähne des Einwurfschlitzes auch nur den Rand eines Geldstücks zu fassen bekommen hatten, ging nichts mehr rückwärts. Es war, als hätte sich ein Hai mit seinem Mördermaul in ein Opfer verbissen. Auch mit dem Hammer war nichts zu machen. Diese Geldbunker waren völlig unempfindlich. Wenn man nicht schon schlechte Erfahrungen gemacht hätte, hätte man ja souveräner reagiert. Aber so kam mir sofort die Wut hoch, ich schlug, klopfte und trat gegen den Automaten. Dann sah ich, dass innen in einem Büro der Bank noch Licht war. Ich ging zur Glastüre, pochte, rüttelte und schrie. Weil mir als Kunde Unrecht widerfahren war. Und jetzt sah ich, wie

Weitere Kostenlose Bücher