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Sisters of Misery

Titel: Sisters of Misery Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Kelley Hall
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tatsächlich alles vorhergesehen. Nachdem Maddie den Text noch einmal aufmerksam gelesen hatte, f ragte sie sich, ob sie womöglich auch zu denen gehörte, denen Cordelia Rache geschworen hatte. Das Schlimmste an diesem Gedanken war, dass sie das Gefühl hatte, diese Rache verdient zu haben.
    Als sie später im Bett lag, fühlte sie sich elend und leer. Sie dachte daran, wie sehr Cordelia sich danach gesehnt hatte, frei zu sein. Einfach fortgehen und alles hinter sich lassen - all die Verantwortung, all die Schuld, all die Fragen. Einfach alles zurücklassen und ganz neu anfangen.
    Genau das hatte ihr Vater getan, als er sie verließ. Hatte einfach alles hinter sich gelassen. Und den Tagebucheinträgen zufolge hatte Cordelia vielleicht dasselbe getan und war vor ihren Problemen davongelaufen. Vielleicht war tatsächlich niemand anders für ihr Verschwinden verantwortlich als sie selbst.
    Maddie löschte das Licht und presste die Handballen auf ihre geschlossenen Augen, bis sie kleine Lichtblitze sah. Nachdem sie eine Weile so verharrt hatte, ließ das Pochen in ihren Schläfen nach.
    Kurz bevor sie einschlief, musste sie an einen der letzten Einträge in Cordelias Tagebuch denken, an den, in dem sie über ihre Sehnsucht, für immer zu verschwinden, geschrieben hatte. Der Eintrag stammte vom 22. Oktober. Als Einwohnerin einer Nachbarstadt von Salem kannte sie die Bedeutsamkeit
dieses Datums. Am 22. Oktober 1692 fand die letzte Hinrichtung im Rahmen der Hexenprozesse von Salem statt. Und Jahrhunderte später wurde Cordelia auf ganz ähnliche Weise gequält und verfolgt. Sie hatte diese Notiz genau neun Tage vor Halloween in ihr Tagebuch geschrieben, der Nacht, in der auf Misery Island ihr aller Schicksal seinen Lauf nahm.

    Nur widerwillig gewährte Sully ihr am nächsten Tag Einlass in die Asservatenkammer. Mittlerweile war sie fest davon überzeugt, dass Cordelia vergewaltigt und anschließend von dem Täter durch fortlaufende Drohungen zum Stillschweigen gezwungen wurde. Sie fragte sich, ob Cordelia Anzeige erstattet hatte, und ob die Polizei sich deswegen bei ihren Ermittlungen etwas intensiver mit Reed beschäftigt hatte. Die ganze Zeit schon hatte sie das Gefühl, irgendetwas übersehen zu haben, und plötzlich glaubte sie zu wissen, was es sein könnte. Cordelia war schwanger - oder glaubte es zumindest - und ihr Vergewaltiger wollte sie zum Schweigen bringen. Oder ihr wenigstens so viel Angst einjagen, dass sie die Stadt verließ. Alles, was sie jetzt noch brauchte, war ein konkreter Anhaltspunkt.
    Sie wusste nur wenig über die Vorgehensweise beim Sammeln und Archivieren von Beweismitteln, aber ein Blick in die bruchreife Aufbewahrungsstätte genügte ihr, um zu wissen, warum so viele Fälle in Kleinstädten ungelöst blieben. Offensichtlich hatte es hier irgendwann einmal einen Rohrbruch gegeben, denn die meisten der in den Metallregalen stehenden Kartons hatten Wasser- und Schimmelflecken.
    Maddie warf Sully über die Schulter einen Blick aus hochgezogenen Brauen zu. »Wow! Ihr seid ja wirklich auf dem allerneuesten Stand hier. Gut, dass niemand eine DNA-Probe
oder irgendein anderes Beweisstück aus diesen verrotteten Kartons braucht.«
    Er zuckte seufzend mit den Schultern. »Ich weiß, Maddie. Aber damit müssen wir nun mal leben. Liegt alles an den Steuersenkungen.«
    Sie musste an die Flotte neuer Geländestreifenwagen denken, die vor der Polizeistation parkte. Wahrscheinlich investierte die Polizeibehörde ihre minimalen Mittel lieber in schicke neue Autos anstatt in die Modernisierung ihrer baufälligen Räume. Denn die schienen ihr wesentlich wichtiger zu sein als die korrekte Lagerung von Beweismitteln ungelöster Fälle.
    Sie trug den mit »Fall Cordelia LeClaire« beschrifteten Karton in ein leer stehendes Vernehmungszimmer, schaltete das kalte Neonlicht ein und begann, das wenige durchzusehen, was es in Cordelias Fall an Beweisstücken gab. Die Zeitungsausschnitte waren über die Monate gelb und feucht geworden und klebten an etlichen Stellen aneinander. Wenigstens hatte man die Zeugenaussagen in Ordnern abgeheftet, sodass alles noch gut lesbar war. Alle Zeugen hatten zu Protokoll gegeben, wo und wann sie Cordelia in den Wochen und Tagen vor ihrem Verschwinden gesehen hatten. Bis auf eine Person. Und diese Person hatte angegeben, sie am Morgen des 1. Novembers gesehen zu haben. Das war es,

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