Sisters of Misery
erwartete, dass die anderen vor ihm auf die Knie fielen.
Er packte sie grob am Arm. »Oh doch, das geht mich allerdings was an.«
Sie wandte ihm den Kopf zu, fest entschlossen, keinerlei Angst oder Schwäche zu zeigen. »Ach ja?«
»Wenn du dich mit Reed herumtreibst, wirbelt das nur wieder die ganze Sache mit Cordelia auf, und das ist weder für mich noch für meine Familie gut, kapiert? Es lässt ihn so dastehen, als hätte er was mit ihrem Verschwinden zu tun. Dabei weià er noch nicht einmal, was auf Misery Island gelaufen ist.« Als er ihren fassungslosen Gesichtsausdruck sah, schien er sofort zu wissen, dass er zu viel gesagt hatte. Woher wusste er von dem, was auf Misery Island passiert war? Hatte Kate es ihm erzählt, obwohl sie ihnen allen den Schwur abgenommen hatte, niemandem auch nur ein Sterbenswort zu verraten?
Er lieà ihren Arm los und streckte beschwichtigend die Hände nach oben. »Hey, ich will hier bestimmt nicht den Bösen spielen, okay? Ich pass nur auf meinen Bruder auf, das ist alles.«
»Trevor, der Einzige, auf den du jemals aufgepasst hast, bist du selbst.«
»Ich könnte auch auf dich aufpassen, wenn du mich lassen würdest«, flüsterte er heiser und zog sie an der Taille zu sich heran. Maddie spürte deutlich, dass er es nicht nur scherzhaft meinte. Sein ganzer Körper war in angespannter Lauerstellung.
Dann versuchte er plötzlich, sie zu küssen, drängte mit der Zunge gegen ihre Lippen, während seine groben Hände überall an ihr herumgrabschten.
Was, verdammt noch mal, sollte das? War es das, was Cordelia passiert war?
»Lass mich los, du Schwein!« Sie schubste ihn mit aller Kraft von sich und machte sich bereit, ihn zwischen die Beine zu treten. Lachend trat er ein paar Schritte zurück und fuhr sich durch die kurzen blonden Haare. Er sah seinem Bruder erschreckend ähnlich, aber in seinen Augen lag ein hinterhältiger und skrupelloser Ausdruck, den sie bei Reed noch nie wahrgenommen hatte.
»Hey, komm schon. Bei meinem Bruder stellst du dich doch bestimmt auch nicht so an.«
»Du bist ekelhaft«, zischte Maddie, dann drehte sie sich um und rannte von ihm weg.
»Deine Cousine hat sich nicht so angestellt«, rief er ihr hinterher und fügte ein etwas leiseres »Blöde Schlampe« hinzu.
Während sie aus dem Wald zurück zur StraÃe rannte, konnte sie nur an zwei Dinge denken.
Erstens, Trevor hatte definitiv etwas mit Cordelias Verschwinden zu tun.
Und zweitens, niemand hatte diesen widerlichen ScheiÃkerl mehr verdient als Kate.
22
SPIEGELVERKEHRTES RHAIDO
DAS RAD
Â
Entfremdung, Rückschritt, Chaos
Â
Â
MAI
Â
T ess kam vor dem Zubettgehen in die Küche geschlurft. Ihre Haare standen ihr wirr vom Kopf ab, und in ihren Augen lagen ein unendlich erschöpfter Ausdruck und gleichzeitig eine wilde Entschlossenheit, den Kampf noch nicht aufzugeben.
Abigail hatte Maddie aufgetragen, ihre GroÃmutter nicht aus den Augen zu lassen, was sich jedoch mittlerweile zu einer kaum noch zu bewältigenden Aufgabe ausgewachsen hatte. Als sie neulich Nachmittag, mit Einkaufstüten bepackt, vom Supermarkt gekommen war, hatte sie zu ihrem Entsetzen Tess in ihrem geblümten Nachthemd die StraÃe Richtung Strand hinuntergehen sehen. Und vor ein paar Tagen hatte sie abends einen lauten Knall gehört, der aus dem Zimmer ihrer GroÃmutter gekommen war. Sie war sofort hinübergerannt, und nachdem sie es geschafft hatte, die Tür aufzustemmen, die Tess von innen mit einem Stuhl blockiert hatte, sah sie, dass das Fenster in dem Zimmer weit offen stand und ihre GroÃmutter wie eine weiÃe Katze auf dem Dach saà und zum Mond hinaufstarrte. Beängstigend wenige Zentimeter trennten sie von einem Sturz in die Tiefe. Ihre schneeweiÃen, normalerweise zu einem ordentlichen Zopf geflochtenen
und im Nacken festgesteckten Haare waren in wüster Unordnung und umkränzten ihren Kopf wie ein Heiligenschein. Sie summte leise und mit abwesendem Blick vor sich hin und murmelte dann irgendetwas von jemandem, der sich angeblich im Keller aufhalten würde. Maddie hatte erst mit Engelszungen auf sie einreden müssen, dass ganz bestimmt niemand im Keller war, bevor sie sich davon überzeugen lieÃ, wieder in ihr Zimmer zurückzukommen.
Jetzt, in der in warmes Licht getauchten Küche, sagte Tess plötzlich mit quengelnder Stimme zu ihr:
Weitere Kostenlose Bücher