Sisters of Misery
zotteliger Kurzhaarschnitt in stumpfem Rostrot geworden. Es war, als hätte die Sonne, die durch das verdreckte
Fenster fiel, ihre alte Schönheit verblassen lassen wie die Farben auf einem verblichenen Foto.
»Rebecca, ich bin hier, um dir bei deinem Umzug zu helfen. Wir bringen dich an einen anderen Ort, wo es dir bestimmt viel besser gefallen wird als hier, das verspreche ich dir.«
»Sie redet nicht mit Fremden«, tönte plötzlich eine Stimme von der Tür. Maddie drehte sich um und sah eine spindeldürre Frau, die aufmerksam die Holzverkleidung des Türrahmens betrachtete, um ihr bloà nicht in die Augen zu schauen. »Du bist nicht ihre Freundin. Ich schon. Ich bin ihre Freundin und sie darf nicht weg. Wir müssen zusammen hierbleiben. Mit mir redet sie gern, aber mit dir wird sie ganz bestimmt nicht reden. Nein, ganz bestimmt nicht.«
Die kleine Frau fuhr fort, in ihrer singenden Kleinmädchenstimme vor sich hin zu plappern.
»Ich bin ihre Nichte Madeline«, unterbrach Maddie sie. »Und ich freue mich, dass Rebecca hier eine Freundin gefunden hat.«
Die Frau warf ihr einen strengen Blick zu, bevor sie sich wieder der gründlichen Inspektion des Türrahmens widmete. »Nein, sie hat keine Familie. Hat sie nicht mehr. Sind alle weg. In der Erde und im Himmel. Sie hat nur noch mich, Rosie.«
»Nett, Sie kennenzulernen, Rosie«, sagte Maddie und sah kurz zu Rebecca, die nicht zu bemerken schien, dass sie nicht mehr allein in ihrem Zimmer war, und die mit irgendetwas spielte. Klick-klack, klick-klack. »Ziehen Sie auch in das neue Krankenhaus um?«
»Oh nein!« Rosie schüttelte energisch ihr weiÃes Haupt. »Becca und ich bleiben hier. Hier! Becca muss in ihrem Garten bleiben. Wie soll ihr kleines Mädchen sie denn finden, wenn sie weggeht? Nein, nein, wir bleiben hier, bis Cordelia nach Hause kommt.«
In Maddie glomm ein leiser Hoffnungsschimmer auf. Vielleicht
konnte Rebecca ja doch sprechen. »Hat Rebecca Ihnen erzählt, was mit ihrer Tochter passiert ist?«, fragte sie und hörte, wie das klackernde Geräusch lauter wurde. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass das Geräusch von ein paar kleinen, glatten Steinen kam, die ihre Tante wie Meditationskugeln von einer Hand in die andere gleiten lieÃ.
»Oh ja!« Wieselflink kam Rosie ins Zimmer gehuscht und setzte sich auf Rebeccas Bett. »Wir verbringen gern Zeit mit Cordelia. Ja, das tun wir. Ist doch so, Becca, oder? Dann gehen wir raus und setzen uns unter die Bäume und picknicken. Das machen wir sehr gern. Ich wollte immer ein eigenes kleines Mädchen haben, aber jetzt hab ich ja Cordelia. Rebecca teilt sie mit mir.«
Das Klackern wurde immer schneller und lauter. Maddie wusste nicht, was sie mehr beunruhigte: Rosies Märchen über ihre verschwundene Cousine oder das unaufhörliche Aneinanderschlagen der Steine in Rebeccas Händen.
»Rosie!«, schimpfte Schwester Dot, die plötzlich in der Tür aufgetaucht war. »Sie wissen doch, dass Sie Ihre Freunde nur zu den festgelegten Zeiten besuchen dürfen. Was haben Sie sich bloà dabei gedacht, sich einfach so aus Ihrem Zimmer zu schleichen? Wir haben schon überall nach Ihnen gesucht.«
»Diese Frau da darf meine Freundin nicht mitnehmen! Rebecca ist meine Freundin, und ich will nicht, dass sie weggeht«, schmollte Rosie und zischte dann: »Du bist ein böses Mädchen. Ich hab von dir gehört. Du denkst, dass es keiner weiÃ, aber ich weià es. Ich weiÃ, was du gemacht hast. Ich weià es! «
»Rosie!«, fuhr Schwester Dot die alte Frau an und räusperte sich verlegen, als sie merkte, dass Rosie und Maddie sie erschrocken anstarrten - nur Rebecca nicht. »Es ist Zeit, Auf Wiedersehen zu sagen, Rosie.« Sie hakte sich bei ihr unter und zog sie aus dem Zimmer.
»Auf Wiedersehen, Rosie«, sagte Rosie mit singender Stimme.
»Ach, Schwester Dot?«, rief Maddie der Pflegerin hinterher. »Verbringt meine Tante viel Zeit mit Rosie?«
Schwester Dot seufzte. »Ja, die beiden sind ziemlich oft zusammen, aber das liegt weniger an Rebecca als an Miss Rosies Kontaktfreudigkeit. Ihre Tante bleibt lieber für sich. In der ganzen Zeit, die sie nun schon in Ravenswood ist, hab ich noch kein einziges Wort von ihr gehört, und soweit ich weiÃ, hat sie auch vor anderen Schwestern oder Pflegern noch nie einen Ton von sich gegeben.«
Rosie schob
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