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Sisters of Misery

Titel: Sisters of Misery Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Kelley Hall
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weg.
    Zitternd kam sie wieder an die Oberfläche und musste daran denken, wie Cordelia und sie sich in den letzten Sommerferien nachts immer zur Crescent-Hollow-Bucht geschlichen hatten. Allein hätte sie sich das niemals getraut, aber Cordelia hatte sie davon überzeugen können, dass das Gefühl grenzenloser Freiheit es wert war, das Risiko einzugehen, erwischt und bestraft zu werden. Was aber nie vorgekommen war.
    Maddie wärmte sich mit ein paar kräftigen Schwimmzügen auf, bevor sie wie ein Delfin noch einmal abtauchte und schließlich ans Ufer zurückschwamm. Die letzten Meter ließ sie sich von den Wellen tragen und rannte dann zu dem Handtuch, das sie mitgenommen hatte. Eilig rubbelte sie ihren mit Gänsehaut überzogenen Körper trocken und schlüpfte wieder in ihre Vliesjacke und die Jogginghose. Als sie kurz zu den funkelnden Sternen aufblickte, erhaschte sie einen Blick auf eine gerade verglühende Sternschnuppe. Wünsch dir etwas, dachte sie. Normalerweise wünschte sie sich in solchen Momenten immer Gesundheit und Glück für sich und ihre Familie und dass sie sich endlich einmal richtig verlieben würde. Aber heute Nacht wünschte sie sich etwas anderes.
    Ich möchte endlich die Wahrheit wissen.
    Ich möchte mich erinnern.
    Ein Geräusch zu ihrer Linken ließ sie zusammenfahren. Sie blickte sich um, konnte aber niemanden entdecken. Fast schon erwartete sie, Cordelia kichernd vor Freude über den gelungenen
Streich hinter einem der Felsbrocken hervorspringen zu sehen. Aber das wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein. Sie sah ein letztes Mal über den dunklen, menschenleeren Strand, bevor sie hastig ihre Sachen zusammenpackte und sich zum Gehen wandte. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, um diese Uhrzeit allein ans Meer zu gehen?
    Ihr Herz begann so heftig zu pochen, dass es das Tosen der Brandung übertönte. Und in diesem Moment sah sie die dunklen Umrisse eines Mannes, der auf einer ins Meer hineinragenden Felsengruppe stand. Sie wurde von einem beklemmenden Déjà-vu-Gefühl gepackt. Jemand hatte sie die ganze Zeit über beobachtet. Plötzlich glaubte sie, eine Bewegung hinter sich wahrzunehmen. In panischer Angst lief sie los und schöpfte erst wieder Atem, als sie im Haus war und die Tür hinter sich verschlossen hatte. Was ging hier vor sich? Hatte es jemand auf sie abgesehen? War sie als Nächste dran?
    Nachdem sie sich wieder einigermaßen gefangen hatte, spähte sie aus dem Fenster auf die Straße hinaus. Sie lag dunkel und verlassen da. Im Moment war sie in Sicherheit. Aber wie lange noch?

    Maddie wachte weinend auf. In ihrem Traum hatte sie Cordelia gesehen, festgebunden an einem Baum. Sie waren im Kreis um sie herumgetanzt.
    Sie spürte, dass ihre Haare von ihrem nächtlichen Schwimmausflug noch immer ganz klamm waren, als sie sich im Bett aufsetzte und nach ihrem Traumtagebuch auf dem Nachttisch griff, um ihren Traum aufzuschreiben. Sie wollte die bruchstückartigen Bilder so detailliert wie möglich zu Papier bringen, bevor sie ihr wieder entglitten.

    Blutend und mit verbundenen Augen
Rote Haarbüschel auf dem Boden
Cordelias schlaffer, regloser Körper
Gelächter
blutroter Wein
Wind, der durch Haare peitscht
Striemen und Brandwunden
Hexe!
    Als sie plötzlich ein Scharren vor ihrer Tür hörte, schüttelte sie die letzten Traumfetzen von sich ab und lauschte angestrengt. Dem Scharren folgte ein Geräusch, das wie ein unterdrückter menschlicher Laut klang. Sie kämpfte die aufsteigende Panik nieder und sagte sich, dass es bestimmt nur das Ächzen des alten Hauses oder ein Stöhnen ihrer schlafenden Mutter oder Großmutter gewesen war. Aber ihre Gedanken wanderten wie von selbst zu den dunklen Umrissen des Mannes, der sie am Strand beobachtet hatte, und stellten die bange Frage: Ist er mir bis nach Hause gefolgt und steht jetzt womöglich vor meiner Tür?
    Sie zwang sich dazu, tief durchzuatmen und sich zu beruhigen. Sie war zu Hause in ihrem Zimmer, niemand konnte ihr hier etwas anhaben. Dann rief sie sich noch einmal bewusst die letzte Nacht in Erinnerung, das Gefühl, beobachtet zu werden und das alles schon einmal erlebt zu haben, und dachte an die Bilder und Träume von der Nacht auf Misery Island. Das Ganze schien nur einen Schluss zuzulassen: Sie hatte endlich zu ihrer Gabe gefunden. Die Gabe, die jede Frau in ihrer Familie, außer Abigail,

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