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Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)

Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)

Titel: Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Tobor
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zu Hause auf mich warteten. Ich hatte bereits Glückwunschkarten von der Sparkasse, vom Metzger, aus dem Blumengeschäft und der Bäckerei bekommen, sogar von der CDU , und fast überall hatte ein Geldschein dringesteckt. Mal waren es 5, mal 10 Mark, oft kunstvoll zu einer Art Blume gefaltet. Das waren Geschenke von Menschen, die mich nicht einmal kannten. Was würde ich erst von meiner Familie bekommen?
    Als Erstes verriet Tante Selma mit viel Pathos, dass einer der beiden Koffer, mit denen sie gekommen war, nur Mitbringsel für mich beinhaltete. Ich zitterte euphorisch vor Spannung, bis Selma mit einem Wandkreuz herausrückte, an dem ein milchweißer, blutverschmierter Jesus hing. Doch das war erst der Auftakt gewesen. Es folgten: eine Weihrauch-Mischung, eine geweihte Kerze, auf der ein Herz-Jesu-Abziehbild prangte, drei verschiedenfarbige Rosenkränze in Plastikkästchen, die wie kleine Bibeln aussahen, das Bekehrungstagebuch einer jungen Nonne, eine Pilger-Medaille, die in grellen Farben die Marienerscheinung von Fatima dokumentierte, Musikkassetten von katholischen Kinder-Bands und schließlich ein Bild vom Papst, in einem Rahmen, der selbst den Ogóreks zu bombastisch gewesen wäre.
    Als Selma alles losgeworden war, was sie in mehreren Jahren Wallfahrt angesammelt hatte, ging es weiter mit den Geschenken der übrigen Gäste. Ich ließ schwülstige Glückwünsche über mich ergehen, während mir ein Tütchen nach dem anderen in die Hand gedrückt wurde. Zu meiner großen Enttäuschung befand sich in jedem nur Goldschmuck: feingliedrige Ketten mit Kreuzanhänger, eine dünne vergoldete Armbahnuhr, Ringe mit kleinen Edelsteinen, goldene Ohrstecker in Form flammender Herzen. Ich hatte keinen Schimmer, was ich in meinem Alter mit Gold anstellen sollte. Vielleicht in 50 Jahren, dachte ich, wenn ich Zahngold benötigen würde. Wie man einen Freuden-Anfall simuliert, hatte Mama mir vorsorglich beigebracht. Also kreischte ich auch noch bei der fünften Goldkette »Wow!« und sprang angestrengt im Kreis herum. Worüber ich mich wirklich gefreut hätte, wäre ein Computer gewesen, aber wie es aussah, würde ich mir den selbst kaufen müssen.
    Das Wohnzimmer war hoffnungslos überfüllt, und die Hälfte der Stühle eine Leihgabe von den Nachbarn. Tomek, der eine winzige Weste trug und eine Fliege um den Hals, mimte stolz den kleinen Kellner und wies den Gästen ihre Plätze an. Ein Stuhl war mit einem weißen Bettlaken bedeckt und mit angehefteten Myrtezweigen geschmückt; dies war mein Ehrenplatz. Mama saß neben mir, um mir jederzeit einen Tritt unter dem Tisch verpassen zu können, sollte mir trotz absolviertem Diplomatie-Kurs etwas Unpassendes herausrutschen.
    Endlich wurde das schimmernd weiße Tafeltuch mit Platten und Schüsseln vollgestellt. Mama hatte ihren Kampf um Steaks und leichte Salate verloren; beide Omas, und vor allem Opa Stefek, hatten auf einem traditionellen schlesischen Festessen bestanden. Zunächst wurde Hühnersuppe mit frischer Petersilie, hausgemachten Hochzeitsnudeln und gekochten Möhren serviert. Danach prall gefüllte Rouladen, kluski ; Klöße, die helle und die dunkle Sorte, übergossen mit einer dicken, fettigen Soße, dazu Sauerkraut mit Pilzen und nach Urgroßmutters Geheimrezept gewürztes Rotkraut.
    Als nach dem Essen der Kaffee folgte, saß ich meiner hochmütig schweigenden Oma Greta gegenüber und starrte abwechselnd auf ihr bunt bemaltes Gesicht und die Zuckerrosen, die majestätisch auf der Torte saßen, die sie gebacken hatte. Alle anderen ergingen sich in lautem Gerede und wieherndem Gelächter. Ich wünschte mir, einfach unter den Tisch krabbeln zu können, doch war ich dafür nicht mehr klein genug. Anscheinend war ich aber auch nicht groß genug, um gesehen zu werden. Die Gäste wussten, dass ich da war, aber sie blickten an mir vorbei. Als Erwachsene fanden sie keine Gemeinsamkeiten und kein Gesprächsthema mit mir. Stattdessen ließen sie sich lang und breit über Dinge aus, von denen ich keine Ahnung hatte.
    Deshalb wäre ich gern weggegangen, wenigstens für eine Weile, aber der Abstand zwischen mir und der Wand war so eng, dass ich nicht unbemerkt aufstehen konnte. Und wenn ich vor Langeweile in mich zusammenzusacken drohte, bohrte Mama mir ihren Daumen zwischen die Schulterblätter und zischelte: »Keinen Buckel machen!« So blickte ich also aus dem Fenster und betrachtete die Sonne, die in den Wipfeln der Bäume wühlte. Erst die Katastrophe mit dem gelben Kleid,

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