Sixteen Moons - Eine unsterbliche Liebe
wir wussten das.
Lena saß eingekeilt zwischen Link und mir auf demVordersitz der Schrottkiste und kritzelte etwas auf ihre Hand. Ich konnte nur dieWorte zerbrochen wie alles andere auch erkennen. Sie schrieb immerzu, so wie andere Kaugummi kauten oder mit den Haaren spielten; ich glaube, sie merkte es nicht einmal. Ich fragte mich, ob sie mir wohl irgendwann eines ihrer Gedichte zum Lesen geben würde, ob sie wohl ein Gedicht über mich geschrieben hatte.
Link sah auch auf ihre Hände. »Wann schreibst du mir einen Song?«
»Wenn ich mit dem Song für Bob Dylan fertig bin.«
»Heilige Scheiße …« An der Einfahrt zum Parkplatz machte Link eineVollbremsung. Ich konnte es ihm nicht einmal übel nehmen. Seine Mutter vor acht Uhr auf dem Schulparkplatz anzutreffen, konnte einem schon einen Schrecken einjagen. Aber da stand sie, leibhaftig.
Auf dem Parkplatz wimmelte es von Menschen, heute waren es sogar noch mehr als sonst. Und viele Eltern waren da. Seit JocelynWalkers Mutter gekommen war, um ihreTochter während des Films über die Fortpflanzung des Menschen aus der Schule zu zerren, hatte man keine Eltern mehr auf dem Parkplatz gesehen, außer anlässlich der Geschichte mit dem zersplitterten Fenster.
Es war etwas im Gange, so viel stand fest.
Links Mum hatte Emily eine Schachtel in die Hand gedrückt, und jetzt steckte sie zusammen mit der gesamten Cheerleadertruppe, sprich sowohl der Schulauswahl als auch sämtlichen Ersatzleuten, jedem Auto auf dem Parkplatz einen neonfarbenen Zettel an die Windschutzscheibe. Einige Zettel flatterten im Wind, aber aus meinem halbwegs sicherenVersteck in Links R o stlaube konnte ich denText erkennen. Offenbar führten sie ein ArtWahlkampf, allerdings ohne Kandidaten.
Nein zu Gewalt in der Jackson Highschool!
Null Toleranz!
Link lief puterrot an. »Es tut mir leid. Leute, ihr müsst jetzt aussteigen.« Er machte sich auf dem Fahrersitz so klein wie möglich. »Ich möchte nicht, dass mich meine Mutter vor den Augen der Cheerleader zusammenscheißt.«
Ich bückte mich langsam nach unten, langte quer über den Sitz, um die Beifahrertür für Lena aufzumachen. »Wir treffen uns drinnen.«
Ich nahm Lenas Hand und drückte sie fest.
Bist du bereit?
So gut es eben geht.
Wir gingen zwischen den Autos am Rand des Parkplatzes in Deckung. Wir konnten Emily zwar nicht sehen, aber wir hörten ihre Stimme hinter Emorys Lieferwagen.
»Seid wachsam!« Emily kam zu Carrie Jensens Autofenster. »Wir gründen einen neuen Club in der Schule: die Jackson High Schutzengel. Wir helfen mit, dass unsere Schule sicher bleibt, indem wir Gewalttätigkeiten oder ungewöhnliche Vorkommnisse in unserer Schule melden. Ich finde, jeder Schüler hat die Pflicht zu helfen.Wenn du auch mitmachen willst, wir treffen uns in der Cafeteria nach der achten Stunde.« Als Emily weiterging, umklammerte Lena meine Hand.
Was soll das heißen?
Keine Ahnung. Jetzt drehen sie völlig durch. Komm mit.
Ich wollte sie hochziehen, aber sie hielt mich zurück. Sie kauerte sich neben den R eifen. »Gib mir noch einen Augenblick.«
»Geht’s dir nicht gut?«
»Schau sie dir an. Sie halten mich für ein Ungeheuer. Sie haben sogar einen neuen Club gegründet.«
»Sie können keinen leiden, der nicht so ist wie sie. Und du bist neu hier. Ein Fenster ist zu Bruch gegangen. Sie brauchen jemanden, dem sie die Schuld dafür in die Schuhe schieben können. Das ist eine …«
»Eine Hexenjagd.«
Das hatte ich nicht sagen wollen.
Aber du hast es gedacht.
Ich drückte ihre Hand.
Du musst das nicht tun.
Doch. Leute wie die haben mich aus meiner letzten Schule vertrieben. Das wird mir nicht noch mal passieren.
Als wir hinter der letzten R eihe geparkter Autos hervorkamen, standen sie vor uns. Mrs Asher und Emily verstauten die Schachteln mit den Handzetteln, die sie nicht gebraucht hatten, hinten in ihrem Minivan. Eden und Savannah verteilten Flugblätter an die Cheerleader und an jeden Kerl, der einen Blick auf Savannahs Beine oder ihren Ausschnitt werfen wollte. Mrs Lincoln stand ein paar Schritte daneben und unterhielt sich mit den anderen Müttern; wahrscheinlich versprach sie ihnen gerade, ihre Häuser im R eiseführer »Schätze der Südstaaten« aufzunehmen, wenn sie Direktor Harper anriefen. Earl Pettys Mutter gab sie ein Klemmbrett mit einem Bleistift daran. Ich brauchte eine Minute, um zu begreifen, was es war.
Es sah aus wie eine Unterschriftensammlung.
Mrs Lincoln sah uns stehen und musterte uns scharf.
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