Sixteen Moons - Eine unsterbliche Liebe
den Kürzeren gezogen hätte.
»Streunende Hunde habenTollwut. Jemand sollte das bei der Stadtverwaltung anzeigen.« Aber klar doch, und ich wusste auch schon, wer dieser Jemand war.
»Ja, Ma’am.«
»Wer war das, der gerade in diesem merkwürdigen schwarzenWagen davongefahren ist? Ihr schient euch ziemlich gut zu unterhalten.« Sie kannte die Antwort bereits. Es war keine Frage, es war eine Anklage.
»Ma’am.«
»Apropos merkwürdig. Direktor Harper hat mir eben gesagt, dass er dem Ravenwood-Mädchen einen Schulwechsel vorschlagen will. Sie kann zwischen Schulen in drei Landkreisen wählen. Solange es nicht Jackson ist.«
Ich antwortete nicht. Ich sah sie nicht einmal an.
»Es ist unsere Pflicht, Ethan. Direktor Harpers, meine – die aller Eltern in Gatlin. Wir müssen dafür sorgen, dass die jungen Leute in dieser Stadt wohlbehütet aufwachsen. Und dass sie nicht in schlechte Gesellschaft geraten.«Womit alle gemeint waren, die nicht so waren wie sie.
Mrs Lincoln streckte die Hand aus und legte sie mir auf die Schulter, genau so, wie sie es bei Emily gemacht hatte, vor nicht einmal zehn Minuten. »Du verstehst sicher, was ich damit sagen will. Schließlich bist du einer von uns. DeinVater ist hier zurWelt gekommen und deine Mutter liegt hier begraben. Du gehörst hierher. Aber nicht alle gehören hierher.«
Ehe ich noch etwas sagen konnte, saß sie schon in ihrem Lieferwagen.
Diesmal hatte Mrs Lincoln mehr vor, als nur ein paar Bücher zu verbrennen.
Sobald ich im Unterricht saß, verlief der R est desTages ganz normal, beängstigend normal. Ich sah keine Eltern mehr, obwohl ich den starkenVerdacht hegte, dass sie im Büro des Direktors herumlungerten. Zum Mittagessen aß ich zusammen mit den anderen Jungs wie üblich drei Portionen Schokoladenpudding, wobei es sich von selbst verstand, über was und über wen wir dabei nicht sprachen. Sogar der Anblick von Emily, die während der gesamten Englischstunde und auch noch während des Chemieunterrichts wie besessen SMS tippte, erschien mir beruhigend vertraut – wenn man einmal davon absah, dass ich genau wusste, um was oder besser um wen ihre SMS sich drehten. Wie gesagt: Alles war beängstigend normal.
Bis mich Link nach dem Basketballtraining absetzte und ich beschloss, etwas komplettVerrücktes zu tun.
Amma stand vorn an derVerandabrüstung – ein sicheres Zeichen, dass etwas nicht stimmte.
»Hast du sie getroffen?«
Das hätte ich voraussehen müssen. »Sie war heute nicht in der Schule.« Genau genommen stimmte das ja auch.
»Vielleicht war das auch gut so.Wohin dieses Mädchen auch geht, ihm folgt der Ärger wie Ravenwoods Hund. Ich möchte nicht, dass er dir auch noch in dieses Haus folgt.«
»Ich gehe unter die Dusche. Ist das Essen bald fertig? Link und ich wollen heute Abend noch an unserem Projekt arbeiten«, rief ich ihr von derTreppe aus zu und versuchte dabei, so beiläufig wie möglich zu klingen.
»Arbeiten?Welches Projekt?«
»In Geschichte.«
»Wann gehst du weg und wann willst du wieder zu Hause sein?«
Ich ließ die Tür des Badezimmers zufallen, damit ich um eine Antwort herumkam. Ich hatte einen Plan, aber ich brauchte eine Ausrede, und sie musste gut sein.
Zehn Minuten später, ich saß am Küchentisch, hatte ich die Ausrede parat. Sie war zwar nicht wasserdicht, aber es war das Beste, was mir in dieser kurzen Zeit eingefallen war. Nun musste ich sie nur noch an den Mann bringen. Ich war kein guter Lügner und Amma war nicht auf den Kopf gefallen. »Link holt mich nach dem Essen ab, und wir gehen in die Bibliothek, bis sie schließt. So gegen neun oder zehn.« Ich goss Carolina Gold über mein gegrilltes Schweinenackensteak. Carolina Gold, diese klebrige Senf-Barbecue-Soße, war das Einzige, wofür die Gegend von Gatlin bekannt war, das nichts mit dem Bürgerkrieg zu tun hatte.
»In die Bibliothek?«
Ich wurde immer nervös, wenn ich Amma anlog, deshalb versuchte ich, sie möglichst wenig anzulügen. Und heute Abend hatte ich wirklich ein schlechtes Gefühl, hauptsächlich im Magen.Was ich am wenigsten wollte, war dreiTeller mit Grillfleisch zu essen, aber ich hatte keine andereWahl. Amma wusste genau, wie viel ich verdrücken konnte. ZweiTeller, und sie würdeVerdacht schöpfen. EinenTeller, und sie würde mich mit einem Thermometer und einem Ginger Ale in mein Zimmer schicken. Ich nickte und machte mich daran, meinen zweitenTeller leer zu essen.
»Du hast keinen Fuß mehr in die Bibliothek gesetzt seit
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