Sixteen Moons - Eine unsterbliche Liebe
bewirten.«
Lena lächelte gequält. »Sei nicht hochnäsig, Onkel M. Es ist nicht ihre Schuld, dass du mit keinem von ihnen redest.«
»Und es ist nicht meine Schuld, dass ich eineVorliebe für gutes Benehmen, ein bisschenVerstand und leidliche Körperpflege habe, wobei mir die R eihenfolge egal ist.«
»Hör nicht auf ihn. Er ist einfach in gereizter Stimmung heute.« Lena warf mir einen entschuldigenden Blick zu.
»Lass mich raten. Hat es etwas mit Direktor Harper zu tun?«
Lena nickte. »Die Schule hat heute angerufen. Solange man denVorfall untersucht , so lange nehme ich auf Bewährung am Unterricht teil.« Sie verdrehte die Augen. »Wenn ich mir noch etwas zuschulden kommen lasse, werde ich von der Schule gewiesen.«
Macon lachte geringschätzig, als unterhielten wir uns über eine völlig bedeutungslose Angelegenheit. »Bewährung? Wie amüsant. Bewährung würde irgendeine richterliche Autorität voraussetzen.« Er schob uns beide vor sich her ins Haus hinein. »Ein übergewichtiger Highschool-Direktor, der mit knapper Not das College geschafft hat, und eine Bande von aufgescheuchten Hausfrauen mit Schoßhündchen, von denen es keines mit Boo Radley aufnehmen könnte, kommen dafür wohl kaum infrage.«
Ich trat über die Schwelle und blieb wie angewurzelt stehen. Die Eingangshalle war hoch und riesig, keine Spur mehr von dem Muster- R eihenhaus, das ich hier erst vor ein paarTagen vorgefunden hatte. Ein wuchtiges Ölbild, das Porträt einer blendend schönen Frau mit leuchtenden goldenen Augen, hing über demTreppenaufgang, der auch kein gewöhnlicherTreppenaufgang mehr war, sondern eine typische frei schwebendeTreppe, die nur von der Luft getragen zu werden schien. Hier hätte Scarlett O’Hara im R eifrock herunterschweben können und sie hätte kein bisschen fehl am Platz gewirkt. Riesige Kristalllüster hingen von der Decke. Die Eingangshalle war vollgestopft mit alten viktorianischen Möbeln, kleinen Sitzgruppen mit fein bestickten Stühlen, Marmortischchen und zierlichen Farnen. Überall brannten Kerzen. Hohe Türen standen weit auf, überall duftete es nach Gardenien, die in silbernenVasen kunstvoll arrangiert auf den Tischen standen.
Einen Moment lang glaubte ich, zurück in einer der Visionen zu sein. Aber das Medaillon steckte gut verwahrt und in einTaschentuch eingewickelt in meiner Hosentasche. Ich war mir sicher, denn ich hatte es eigens überprüft.
Ich wurde einfach nicht schlau daraus. Ravenwood hatte sich in einen völlig anderen Ort verwandelt, seit ich zum letzten Mal hier gewesen war. Es schien unmöglich, als wäre ich eine andere Zeit zurückversetzt worden, was ganz unmöglich war. Auch wenn es nur einTraum war, ich wünschte, meine Mutter hätte es hier sehen können. Ihr hätte das Haus gefallen. Erst jetzt fühlte es sich echt an, und ich wusste, so sah das Herrenhaus die meiste Zeit über aus. Es war so echt wie Lena, wie der ummauerte Garten, wie Greenbrier.
Warum hat es neulich anders ausgesehen?
Wovon sprichst du?
Ich denke, du weißt, wovon ich spreche .
Macon ging vor uns her. Wir bogen um eine Ecke und kamen in einen Raum, der in der letztenWoche noch ein gemütliches, kleinesWohnzimmer gewesen war. Jetzt aber war daraus ein prächtiger Ballsaal geworden, in dem ein langer Tisch mit Klauenfüßen stand, der für drei gedeckt war, so als hätten sie mich bereits erwartet.
Ein Klavier klimperte in einer Ecke vor sich hin. Ich vermutete, dass es eines von diesen mechanischen Pianos war. Die ganze Szene war unheimlich, der Raum hätte erfüllt sein müssen vom Klirren der Gläser und vom Lachen der Menschen. Ravenwood gab die größte Party des Jahres, aber ich war der einzige Gast.
Macon redete immer noch. Alles, was er sagte, hallte wider von den riesigen, mit Fresken geschmückten Wänden und den gewölbten Stuckdecken. »Ich glaube, ich bin ein Snob. Ich kann Städte nicht ausstehen. Ich kann Stadtmenschen nicht ausstehen. Sie haben einen kleinen Geist und riesige Hintern. Oder anders gesagt:Was ihnen an Intelligenz fehlt, das machen sie mit ihrem Sitzfleisch wett. Mit ihnen ist es wie mit ungesundem Essen. Fett, aber leider entsetzlich wenig Gehalt.« Er lächelte, aber es war kein freundliches Lächeln.
»Warum ziehen Sie nicht einfach weg?« Ich spürte, wie Ärger in mir hochstieg und mich wieder in die Wirklichkeit zurückbrachte, was für eine Wirklichkeit es auch immer sein mochte, in der ich mich gerade befand. Es war etwas völlig anderes, ob ich mich
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