Sixteen Moons - Eine unsterbliche Liebe
…«
»Ich weiß.« Seit meine Mutter gestorben war.
Die Bibliothek war das zweite Zuhause meiner Mutter gewesen und das galt auch für mich. Als kleiner Junge hatte ich jeden Samstagnachmittag dort verbracht. Wir streiften durch die R egalreihen und zogen jedes Buch heraus, auf dem ein Piratenschiff, ein Ritter, ein Soldat oder ein Astronaut abgebildet war. Meine Mutter sagte immer: »Das ist meine Kirche, Ethan. So halten wir in unserer Familie den Sabbat heilig.«
Marian Ashcroft, die leitende Bibliothekarin von Gatlin, war die älteste Freundin meiner Mutter, die zweitbeste Historikerin neben meiner Mutter, und bis letztes Jahr forschten die beiden gemeinsam. Sie hatten zusammen in Duke das Examen abgelegt, und nachdem Marian ihren Doktortitel in Afro-Amerikanistik gemacht hatte, folgte sie meiner Mutter hierher nach Gatlin, wo sie gemeinsam ihr erstes Buch schrieben. Als der Unfall passierte, steckten sie mitten in der Arbeit zu ihrem fünften Buch.
Seit damals hatte ich keinen Fuß mehr in die Bibliothek gesetzt und auch jetzt war mir eigentlich noch nicht danach. Aber ich wusste, dass Amma mich keinesfalls davon abhalten würde, dorthin zu gehen. Sie würde nicht einmal anrufen, um sich zu vergewissern, dass ich wirklich da war. Marian Ashcroft gehörte zur Familie. Und Amma, die meine Mutter genauso geliebt hatte wie Marian, ging die Familie über alles.
»Also benimm dich und rede nicht so laut. Du weißt, was deine Mutter immer gesagt hat: Jedes Buch ist ein gutes Buch, und wo immer man gute Bücher sicher aufbewahrt, dort wohnt auch Gott.« Wie schon gesagt: Meine Mutter wäre nie in die TAR aufgenommen worden.
Link hupte. Er fuhr zur Bandprobe und nahm mich ein Stück mit. Ich floh aus der Küche, ich fühlte mich so schuldig, dass ich dem Drang nur schwer widerstehen konnte, mich in Ammas Arme zu werfen und ihr alles zu beichten, so als wäre ich wieder sechs Jahre alt und hätte sämtlicheVorräte an Jell-O aus der Speisekammer vertilgt. Vielleicht hatte Amma recht. Vielleicht hatte ich ja ein Loch in den Himmel gestoßen und nun fiel mir das ganze Universum auf den Kopf.
Während ich vor die Eingangstür von Ravenwood trat, umklammerte ich fest den glänzenden blauen Ordner, meine Entschuldigung dafür, dass ich ungebeten in Lenas Haus auftauchte. Ich kam vorbei, um ihr die Englischaufgaben zu bringen, die sie heute im Unterricht verpasst hatte – das hatte ich mir jedenfalls vorgenommen zu sagen. Es hatte überzeugend geklungen in meinen Ohren, als ich noch auf unserer eigenenVeranda stand. Aber jetzt, auf derVeranda von Ravenwood, war ich mir da nicht mehr so sicher.
Es war sonst nicht meine Gewohnheit, so etwas zu machen, aber mir war völlig klar, dass Lena mich von sich aus niemals einladen würde. Und ich wurde das Gefühl nicht los, dass ihr Onkel uns weiterhelfen könnte, dass er etwas wissen könnte.
Vielleicht tat ich es auch aus einem ganz anderen Grund.Weil ich sie einfach sehen wollte. Es war ein unendlich langer, langweiligerTag in Jackson gewesen ohne den Hurrikan Lena, und ich fing langsam an, mich zu fragen, wie ich die letzten acht Schuljahre überstanden hatte ohne das ganze Chaos, das sie angerichtet hatte. Ohne das ganze Chaos, das ich wegen ihr am liebsten angerichtet hätte.
Ein Lichtschein fiel aus den mitWeinranken überwucherten Fenstern. Im Hintergrund hörte ich Musik, alte Savannah-Lieder, besonders das eine aus Georgia, das meine Mutter so geliebt hatte. »In the cool cool cool of the evening …«
Bevor ich klopfen konnte, hörte ich ein Bellen hinter der Tür, und gleich darauf schwang sie auf. Lena stand barfuß vor mir, sie sah ganz anders aus als sonst, festlich, in einem schwarzen Kleid, auf das kleine Vögel gestickt waren, sie sah aus, als wollte sie gerade in ein schickes R estaurant gehen. Ich dagegen fiel ziemlich ab in meinem löchrigen Atari-T-Shirt und den Jeans. Sie trat auf dieVeranda heraus und zog die Tür hinter sich zu. »Ethan, was machst du denn hier?«
Ich hielt verlegen den Ordner hoch. »Ich hab dir die Hausaufgaben gebracht.«
»Ich fasse es nicht, dass du hier so einfach auftauchst. Ich habe dir doch gesagt, dass mein Onkel keine Fremden mag.« Und schon schob sie mich wieder die Stufen hinunter. »Du musst gehen. Sofort.«
»Ich dachte, wir könnten mit ihm reden.« Hinter mir vernahm ich ein Räuspern. Ich schaute hoch und sah Macon Ravenwoods Hund und hinter ihm Macon Ravenwood persönlich. Ich versuchte, meine Überraschung zu
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