Sixteen Moons - Eine unsterbliche Liebe
Lena war, oder allein in meinem Zimmer, damit ich mir alles nur noch tiefer ins Gedächtnis meißeln konnte.Was wir waren? Ich weiß es nicht. Sie war nicht mein Mädchen oder so. Man konnte nicht einmal sagen, dass wir uns verabredeten. Noch in der letztenWoche hätte sie rundweg abgestritten, dass wir überhaupt befreundet waren. Ich hatte keine Ahnung, was ich für sie war, aber ich konnte ja wohl schlecht Savannah zu ihr schicken, damit sie sie ausfragte.Was auch immer es war, das uns verband, das wir gemeinsam hatten, ich wollte es nicht aufs Spiel setzen.Warum musste ich nur andauernd an sie denken?Warum war ich gleich viel glücklicher, wenn ich sie sah? Ich glaubte zwar, die Antwort zu kennen, aber wie konnte ich sicher sein? Ich wusste es nicht, noch wusste ich, wie ich es herausfinden sollte.
Jungs sprechen nicht über solche Sachen. Sie laufen lieber mit einer Faust in der Magengrube herum.
»Was schreibst du da?«
Sie klappte den Spiralblock zu, den sie anscheinend überallhin mitnahm. Mittwochs trainierte die Basketballmannschaft nicht, deshalb saßen Lena und ich im Garten von Greenbrier, den ich langsam als unseren Platz betrachtete, obwohl ich das niemals zugegeben hätte, am wenigsten ihr gegenüber. Hier hatten wir das Medaillon gefunden. Hier konnten wir sitzen, ohne dass uns jemand beobachtet und getuschelt hätte. Wir sollten eigentlich lernen, aber Lena schrieb etwas in ihren Block und ich las das Kapitel über den Aufbau der Atome nun schon zum neunten Mal. Unsere Schultern berührten sich, aber wir schauten in verschiedene Richtungen. Ich hatte mich ausgestreckt, um mich von den Strahlen der untergehenden Sonne wärmen zu lassen, sie saß unter dem sich ausdehnenden Schatten einer moosbewachsenen Eiche. »Nichts Besonderes. Ich schreibe einfach.«
»Schon okay. Du musst es mir nicht sagen.« Ich bemühte mich, nicht enttäuscht zu klingen.
»Es ist nur, weil … es ist albern.«
»Sag’s mir trotzdem.«
Eine Minute lang schwieg sie, kritzelte mit ihrem schwarzen Stift auf die Gummisohle ihres Schuhs. »Manchmal schreibe ich Gedichte. Das habe ich schon als Kind gemacht. Ich weiß, es ist verrückt.«
»Ich finde nicht, dass es verrückt ist. Meine Mutter war Schriftstellerin. MeinVater ist Schriftsteller.« Ich merkte, wie sie lächelte, obwohl ich gar nicht zu ihr hinsah. »Okay, das war kein gutes Beispiel, denn meinVater ist wirklich verrückt, aber das kommt nicht vom Schreiben.«
Ich war gespannt, ob sie mir den Notizblock einfach geben und mich auffordern würde, eines der Gedichte zu lesen. Aber ich hatte Pech. »Vielleicht kann ich sie ja irgendwann mal lesen?«
»Kaum.« Ich hörte, wie sie den Notizblock wieder aufklappte und ihr Stift über die Seite kratzte. Ich starrte in mein Chemiebuch, dabei übte ich den Satz, den ich mir im Kopf schon hundertmal vorgesagt hatte. Wir waren allein, die Sonne ging langsam unter und Lena schrieb Gedichte.Wenn überhaupt, dann musste ich es jetzt tun.
»Also, hättest du vielleicht Lust, was zu unternehmen?« Die Frage sollte so beiläufig wie möglich klingen.
»Machen wir das nicht gerade?«
Ich kaute auf dem Stiel eines alten Plastiklöffels herum, den ich in meinem R ucksack gefunden hatte, wahrscheinlich hatte er einmal zu einem Becher Pudding gehört. »Ja. Nein. Ich meine, hast du vielleicht Lust, ich weiß nicht, irgendwohin zu gehen?«
»Jetzt?« Sie biss ein Stück von einem Granola-Riegel ab und schwang die Beine herum, sodass sie jetzt direkt neben mir saß. Sie hielt mir den Riegel hin. Ich schüttelte den Kopf.
»Nicht heute, vielleicht Freitag oder so. Wir könnten ins Kino gehen.« Ich steckte den Löffel ins Chemiebuch und klappte es zu.
»Das ist ja widerlich.« Sie verzog das Gesicht und schlug eine neue Seite auf.
»Was meinst du damit?« Ich merkte, wie ich rot wurde.
Ich habe nur von Kino geredet.
Du Dummkopf.
Sie zeigte auf das schmutzige Lesezeichen. »Das habe ich gemeint.«
Ich lächelte erleichtert. »Ja. Schlechte Angewohnheit. Hab ich von meiner Mutter.«
»Sie stand auf Besteck?«
»Nein. Auf Bücher. Sie hat, glaube ich, zwanzig auf einmal gelesen, sie lagen im ganzen Haus herum – auf dem Küchentisch, neben ihrem Bett, im Bad, im Auto, in ihrer Handtasche, auf jedem Stuhl lag ein kleiner Stapel. Und sie hat alles, was ihr in die Finger kam, als Lesezeichen benutzt. Einen Socken, den ich dann gesucht habe, einen Apfelkern, ihre Lesebrille, ein anderes Buch, eine Gabel.«
»Auch einen
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