Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute
Kultbau von enormen Dimensionen, der indes unvollendet blieb.
Ebenfalls im 6. Jh. wurde Ortygia durch einen Damm mit dem Festland verbunden. Schon vorher hatte die Bebauung allmählich auf das Hinterland übergegriffen. Hauptachse dieses neuen Viertels namens Achradine war eine von Südwesten nach Nordosten führende, über 13m breite Straße, an die sich rechtwinklig weitere Straßenzüge anschlossen. Die Stadterweiterung spiegelt das rasante Wachstum der Polis Syrakus, die in der spätarchaischen Periode rapide an Reichtum und Einfluss gewann. Westlich von Achradine befand sich die älteste Nekropole von Syrakus, das Gräberfeld von Fusco: Die Bestattung in Steinsarkophagen, wie sie hier dokumentiert ist, knüpfte unmittelbar an Gebräuche in der Mutterstadt Korinth an. Korinthisch ist auch die archaische Keramik, die hier und im Bereich der Heiligtümer gefunden wurde.
Wie in anderen griechischen Poleis ließen Machtzuwachs und wirtschaftliche Expansion alsbald Spannungen im Innern aufbrechen: Im 7. und 6. Jh. war Syrakus Schauplatz von Machtkämpfen zwischen verschiedenen aristokratischen Klüngeln. Tonangebend waren die
gamoroi
, die „Landlosbesitzer“, die ihren |39| Reichtum aus bedeutendem Grundbesitz schöpften. Sie waren die Nachkommen jener Erstsiedler, die unter sich die zu verteilenden Landparzellen ausgelost hatten. Am Ende der archaischen Epoche, kurz nach 500 v. Chr., vertrieb ein aufständischer Mob die Gamoren aus der Stadt: Prompt holten sie Gelon, den Tyrannen von Gela, zu Hilfe, der 485 in Syrakus einrückte und die Macht übernahm. Sein Regiment und das seiner Nachfolger machte Syrakus zur konkurrenzlosen Vormacht auf der Insel, die schließlich sogar dem mächtigen Athen die Stirn bieten konnte.
Zankle
Zankle, das spätere Messene und heutige Messina, befindet sich an der äußersten Nordostspitze Siziliens, genau gegenüber dem hier nur drei Kilometer entfernten italienischen Festland, dort, wo die – für antike Seefahrer nur unter großer Gefahr zu passierende – Straße von Messina Sizilien vom Stiefel trennt. Wieder ist Thukydides der Gewährsmann für die frühen Tage der Kolonie. Nach seinem Bericht wurde Zankle zweimal gegründet: das erste Mal von Piraten, die aus dem campanischen Kyme kamen, und dann endgültig von Siedlern aus Euboia, vor allem aus Chalkis. Möglicherweise waren die „Piraten“ tatsächlich seefahrende Händler, die hier mit Einheimischen Waren tauschten und der späteren Kolonisierung den Weg ebneten.
Knapp südlich des Kap Peloron bot sich den Neuankömmlingen aus Griechenland eine günstige Hafenbucht, von der sich die Straße von Messina bequem kontrollieren ließ. Hier, auf einer wasserreichen, sichelförmigen Halbinsel entstand der Siedlungskern. Die Lage war namensgebend, denn
zanklon
hieß im Idiom der einheimischen Sikeler „Sichel“. Der archäologische Befund ist – der Überbauung durch die moderne Großstadt und der häufigen Erdbeben wegen – ausgesprochen dürftig. Immerhin steht fest, dass die Kolonie bis zum 6. Jh. v. Chr. zu einer stattlichen Siedlung herangewachsen war, mit küstenparallelen Straßenachsen, die im rechten Winkel von weiteren Wegen geschnitten wurden.
Im Umland lagen mehrere Heiligtümer, die ihre Bedeutung der prominenten Lage nahe dem Kap Peloron verdankten: darunter ein Tempel des Meeresgottes Poseidon, den die Sage dem Riesen Orion zuschreibt, und, nahe Mylai (Milazzo), einer der Artemis Phakelitis, die in Ostsizilien weithin verehrt wurde. Der Mythos will es, dass Iphigenie und Orestes das zweigumrankte Bild der Göttin Artemis aus Tauris über Sparta, Rhegion (Reggio di Calabria) bis nach Mylai brachten und dort weihten. Sinnfällig wachte Artemis Phakelitis über das |40| Heil all jener, die – im Wortsinn oder symbolisch – eine Überfahrt zu bestehen hatten.
Trotz – oder möglicherweise geraden wegen – seiner Lage war Zankle kein Platz unter den mächtigen Griechenstädten Siziliens vergönnt. Meist war das Einfallstor nach Sizilien, ähnlich wie Naxos, dem Expansionsdrang Mächtigerer schutzlos preisgegeben: erst des Tyrannen Hippokrates von Gela, der um 500 v. Chr. eine ostsizilische Stadt nach der anderen unterwarf, später (494 v. Chr.) ionischen Seeräubern, die auf ihrer Flucht vor den Persern Zankle im Handstreich nahmen, und schließlich Anaxilaos, dem Tyrannen von Rhegion, der wenig später die Ionier vertrieb und Zankle, das er in Messene umbenannte, zum zweiten Pfeiler eines beide Seiten
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