Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute
Bezugspunkt. Als „Gründer“ (
archegetes
) verehrten ihn deshalb die Kolonisten des – nach Thukydides – 734 v. Chr. gegründeten Naxos.
Für den Chronisten des Peloponnesischen Krieges ist Naxos die älteste aller |37| griechischen Niederlassungen Siziliens. Tatsächlich datiert das älteste Fundmaterial aus der Stadt aus der Zeit um 740 v. Chr. Naxos gehört damit, zusammen mit Syrakus und Megara Hyblaia, zu den ältesten Kolonien auf der Insel. Die Stadt bot von Osten kommenden Schiffen den ersten sicheren Ankerplatz; dies und die leichte Erreichbarkeit des fruchtbaren Ätna-Umlands dürften auch den Ausschlag für die Wahl des Ortes gegeben haben.
Dennoch blieb Naxos immer eine relativ kleine Polis im Schatten mächtigerer und größerer Nachbarn. Bereits die Anfänge waren bescheiden: Auf einer Fläche von ca. 10 ha entstand, an der Stelle eines eisenzeitlichen Dorfes, am Capo Schisò zunächst eine kleine Siedlung, von der lediglich zwei küstenparallele Straßen und ein kleines Haus mit quadratischem Grundriss nachgewiesen werden konnten. Um 650 v. Chr. war die Stadt so weit gewachsen, dass sie sich über das gesamte Kap erstreckte; ein im Wesentlichen schachbrettartiges Straßennetz gab Zugang zu verschiedenen Wohn- und Sakralbauten, die im archaischen Naxos meist klein und in einfacher Bauweise errichtet waren.
Gegen Ende des 7. Jh. v. Chr. entstand im Südosten der Siedlung ein größeres Heiligtum (sogenannter „Temenos der Aphrodite“). Seit ca. 600 v. Chr. umgab hier eine sorgfältig aus polygonalen Steinen errichtete Einfriedung einen älteren Kultbau aus dem 8. Jh. und mehrere kleine Altäre. Ebenfalls ins 7. Jh. datieren zwei extraurbane Sakralkomplexe, von denen einer vielleicht das von Thukydides erwähnte Heiligtum des Apollon Archegetes war. Kurz vor 600 wurde schließlich auch die Landseite der Stadt mit einer massiven Stadtmauer gegen Begehrlichkeiten expandierender Nachbarpoleis geschützt.
Naxos, in dessen Nähe reiche Tonerdevorkommen lagern, war bereits seit dem 8. Jh. ein bedeutendes Zentrum der Keramikproduktion. Örtliche Töpfer stellten große Mengen einer Ware her, die sich eng an Vorbildern ihrer euboiischen Heimat orientierte. In spätarchaischer Zeit blühte das Töpferhandwerk in einem eigens angelegten Gewerbeviertel auf einem Hügel am nördlichen Stadtrand: Hier wurden neben Keramikgefäßen und Architekturterrakotten auch Ziegel und kleine Tonfigürchen hergestellt.
In frühklassischer Zeit verschwand das alte Stadtbild und wich einer ganz neuen Anlage, die auf einem streng hippodamischen – rechtwinkligen – Straßenraster emporwuchs. Drei große Achsen verliefen parallel in Ost-West-Richtung und wurden von mehreren kleinen, parallel zur Küste verlaufenden Straßen geschnitten. Die Blöcke waren mit jeweils vier in nahezu einheitlicher Bauweise errichteten Wohngebäuden bebaut, die Wohnräume über Atrien und Innenhöfe zugänglich. Vermutlich schritt man in Naxos zur Tabula-rasa-Sanierung der Stadt, nachdem Hieron, Tyrann von Syrakus, Naxos im Jahr 476 v. Chr. |38| erobert und die Bevölkerung nach Leontinoi deportiert und in der Stadt Söldner dorischer Herkunft angesiedelt hatte.
Syrakus
Im Jahr nach Naxos (733 v. Chr.) wurde, wiederum laut Thukydides, im Südosten Siziliens von Korinthern unter Archias’ Führung Syrakus gegründet. Kern der Stadt war die später zur Halbinsel gewordene Insel Ortygia, die einen weiten Golf nach Osten hin vom Meer abschließt und auf der die Quelle Arethusa entspringt. Bereits vor der Ankunft der Griechen befand sich hier eine Siedlung. Die leicht zu verteidigende Insellage dürfte den Aufstieg der Stadt, die zugleich über zwei vorzügliche Häfen – je einen im Osten und Westen Ortygias – gebot, erheblich beschleunigt haben. Syrakus, das bald über Ortygia hinauswuchs, unterwarf sich ein ausgedehntes Territorium, eine
chora
, in Südostsizilien, das es durch die planmäßige Anlage befestigter Siedlungen militärisch sicherte.
Vom frühesten Syrakus künden quadratische Behausungen, wie sie ähnlich auch in Naxos und Megara Hyblaia gefunden wurden. Auch ein Athena-Heiligtum entstand bald nach der Stadtgründung, von dem sich aber nur Keramikreste erhalten haben. Später, im 6. Jh. v. Chr., kamen weitere, viel größere Kultbauten hinzu: ein dorischer Apollon-Tempel, in den im Mittelalter die Kathedrale förmlich hineingebaut wurde (so dass sich große Teile seiner Architektur erhalten haben), und ein ionischer
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