Skagboys 01
nicht runter zu ihrem Onkel nach Nottingham wollte. Er atmet tief ein und schaut hoch zur Decke. — Das Problem ist, dass sie ziemlich anhänglich ist und große Zuneigung für mich empfindet. Noch schlimmer ist allerdings, dass sie auf Skag steht. Ich versuche zwar, sie von dem Zeug fernzuhalten, aber sie ist total verrückt danach.
— Ja, aber was hat die ganze Sache mit dir zu tun? Es ist nicht fair, dass du dich jetzt darum kümmern musst und so vor den Karren gespannt wirst!
— Es ist meine eigene Schuld. Ich war so doof und habe … Scheiße, verdammte, stöhnt er. — Maria und ich … wir sind im Bett gelandet. Ich hab mit ihr geschlafen. Ich wollte sie nur trösten, sie sah so mitleiderregend und verzweifelt aus, verstehst du? Und dann führte eine Sache zur anderen. Es war ein Riesenfehler.
— Verdammt, Simon, das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?!, sage ich und versuche, möglichst nicht eifersüchtig zu klingen. Insgeheim bin ich es aber natürlich ein wenig. Irgendwie kann man dem Mädchen gar keinen Vorwurf machen. Normal, dass sie ein bisschen durchdreht nach all dem Scheiß, der ihr widerfahren ist.
— Sie war viel zu jung und vollkommen verzweifelt. Ich sehe jetzt natürlich, dass ich schwach und dumm war und ihre Notlage ausgenutzt habe. Jetzt denkt sie, dass wir zusammen sind. Nächste Woche besuche ich ihre Ma im Knast und kann Maria hoffentlich davon überzeugen, dass sie runter zu ihrem Onkel fährt, um da zur Ruhe zu kommen. Es ist ein einziger großer Albtraum … der auf einmal mein ganzes Leben bestimmt. Ich wollte doch nur nett sein und das Richtige tun. Jetzt ist der Schuss nach hinten losgegangen. Er holt tief Luft und starrt mit einem leeren Blick über die Tanzfläche.
— Das Ding ist, dass ich mir sogar jetzt, in diesem Moment, Sorgen mache, weil sie allein in der Wohnung ist. Keine Ahnung, wozu ein junges Mädchen in dem Zustand alles fähig ist. Sie hat sich bereits mit dem Kerl angelegt, der ihren Vater umgebracht hat, diesem Dickson ausm Grapes. Ich hab echt Angst, dass die Kleine so wie ihr Vater oder wie ihre Mutter endet: im Knast oder unter der Erde. Sie hängt nämlich mit ein paar ziemlich schmierigen Charakteren ab. Ich versuche zwar, sie davon fernzuhalten, aber ich kann sie auch nicht vierundzwanzig Stunden am Tag im Auge behalten … Echt ne verfahrene Situation … total verfahren … Er schüttelt den Kopf. — Ich muss aufhören, mit ihr zu schlafen, und darf ihr auch kein Skag mehr bringen … aber das sind die einzigen beiden Sachen, die sie beruhigen. Eigentlich sollte sie in der Schule sitzen und ihren Schulabschluss machen, verdammt!, keucht er erbärmlich und schaut mir in die Augen. — Mein Gott, da sitze ich hier und quatsche dich mit meinem Zeug zu, dabei ist deine Mutter … Er nimmt meine Hand und drückt sie.
Ich merke, wie mir die Tränen in die Augen steigen. — Sorry, Simon, ich … Mit der Musik und den Leuten um uns herum bringe ich kein Wort raus. Dann höre ich, wie meine Lippen einen Gedanken aussprechen: — Warum ist das Leben nur so ein kompliziertes Chaos?
— Ich hab keinen Schimmer, antwortet er und schließt dabei seine Hand enger um meine. Auch seine Augen sind nun feucht. Angewidert schaut er sich im Club um, als »You’re The Best Thing« von The Style Council anläuft.
— Magst du den Song etwa nicht?
— Ich mag ihn zu sehr! Perlen vor die Säue in diesem trostlosen Schuppen, schimpft er. — Ich hasse es, dass diese Bande von Posern und Schwachmaten tatsächlich derart großartige Musik hören darf.
— Ich weiß, was du meinst, sage ich nickend, bin aber in Wirk lichkeit etwas verdutzt. Als ich dann zu Esther rübersehe, kapier ich es schließlich. Sie versucht, sich gerade aus den Fängen der zugedröhnten Labertaschen zu befreien – Mark und diese kleine Asiatin sind voll zu Gange. (Nadia heißt sie, wie mir wieder eingefallen ist.)
— Pass auf, ich hab ne Idee: Wie wär’s, wenn wir uns eine Kleinigkeit von Swanney holen? Dann gehen wir zu dir oder mir, genehmigen uns die Kleinigkeit und quatschen in Ruhe. Fakt ist doch, dass bei uns beiden gerade ein Haufen Scheiße abläuft und wir labern sollten. Außerdem gehen mir die Leute hier auch langsam auf den Keks. Mark schlägt echt über die Stränge mit dem Skag und dem Speed. Will nicht sagen, dass ich ein Engel bin, aber er ist so myopisch geworden …
Wir schauen Mark noch ein bisschen zu, wie er mit dieser durchgedrehten kleinen Nadia quatscht. Beide
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