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Skagboys 01

Skagboys 01

Titel: Skagboys 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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füllt den Raum mit seiner Präsenz. Doch es ist Maria, die sich zu Wort meldet und protestiert: — Aber ich bin doch schon fast sechzehn, Mutter!
    Janey wird von einer Welle der Scham erfasst. Simon war noch ein kleiner Junge gewesen, als sie vor vielen Jahren mit Coke in die Wohnung neben den Williamsons eingezogen war. Als junge Mutter hatte sie damals unbekümmert mit seinem Vater geflirtet. Dann, an einem Silvesterabend …
    O mein Gott …
    Vor Kurzem hatte sie mit dem Jungen der Williamsons geschlafen, der sich jetzt ihre Tochter, ihren kleinen Liebling, geschnappt hat. — Schau dich doch nur mal an! Schau mal in den Spiegel, du siehst schrecklich aus. Du solltest in Nottingham sein, bei Murray und Elaine!
    Auf Marias Gesicht macht sich Abscheu breit. Der Blick ihrer Tochter lässt Janey erstarren. — Ich gehe nirgendwohin, bis ich nicht diesen Dickson erwischt habe! Er ist an allem schuld! Wahrscheinlich war er es auch, der dich wegen Dads Pension angeschwärzt hat!
    — Da hat sie nicht ganz unrecht, Janey, gibt Simon Williamson zu bedenken.
    — Du halt lieber die Klappe!, bricht es aus Janey heraus. Die Kampflesbenwärterin blickt kurz von ihrem Ken-Follett-Roman auf und wirft Janey einen mahnenden Blick aus ihren blassblauen Augen zu, die tief in den aufgedunsenen Zügen ihres rosafarbenen Gesichts verankert sind. Janey lehnt sich nach vorn und starrt ihn finster an. — Du … mit meiner Kleinen! Was bist du nur für ein Mensch?!
    — Ich versuche, für Maria zu sorgen, schießt Sick Boy mit einem empörten Funkeln in den weit aufgerissenen Augen zurück. — Willst du vielleicht, dass sie auf sich allein gestellt ist, während du Urlaub in diesem Mädcheninternat hier machst? Ich hab ihr bereits gesagt, dass Nottingham der beste Ort für sie ist, und hab mir den Mund fusselig geredet, dass sie zu ihrem Onkel fahren soll, aber sie will einfach nicht hören. Mit einer theatralischen Geste der Entrüstung wirft er im Stile seiner italienischen Vorfahren die Hände in die Luft, woraufhin die Kampflesbenschließerin ihr Buch bis zu ihren stämmigen Oberschenkeln hinabsenkt und erneut drohende Blicke verschießt. — Aber wie du willst. Dann lass ich sie eben allein …
    — Nein, Simon, du darfst mich nicht allein lassen, bettelt Maria.
    — Selbst wenn ich wollte, Babe, das geht jetzt eh nicht mehr! Mach dir keine Sorgen. Er schüttelt den Kopf, legt seinen Arm um Maria und küsst sie auf die Wange, ohne dabei auch nur einmal seinen anklagenden Blick von Janey zu wenden. — Du brauchst einfach jemanden , der für dich da ist!
    Janey ist ratlos. — Aber … sie ist doch noch ein Kind, knurrt sie über den Tisch.
    — Sie ist fast sechzehn, und ich bin gerade mal einundzwanzig, erklärt Simon Williamson aufgeblasen, merkt aber kurz darauf, dass Janey mitbekommen haben müsste, dass er kürzlich seinen zweiundzwanzigsten Geburtstag gefeiert hat. — Ich weiß, wie das nach außen wirken mag, und ich bin auch nicht sonderlich stolz darauf, dass wir eine Beziehung miteinander haben, aber so hat es sich nun mal entwickelt. Dann lehnt er seinen Oberkörper nach vorn. — Also komm gefälligst damit klar!, zischt er sie fordernd an und verzieht das Gesicht, als er auf dem unbequemen Stuhl hin und her rutscht, um eine halbwegs angenehme Sitzposition zu finden.
    Janey spürt, wie sie unter seinem unnachgiebigen Blick immer weiter zerbröckelt. Sie senkt den Kopf. Als sie ihn wieder hebt, schaut sie in die verwirrten, erschöpften Augen ihrer Tochter. Eine schreckliche Erkenntnis macht sich in ihrem Kopf breit: Es sind die Augen einer alten Frau.
    — Ich steh eigentlich nicht so sehr auf junge Mädchen. Sick Boy fixiert Marias Mutter weiterhin mit seinem kalten Blick. — Wie du weißt, bevorzuge ich im Allgemeinen eher reifere Frauen. Janey spürt, wie sie in ihrem beschämten Schweigen zu ertrinken droht.
    Langsam, aber sicher richtet sich der lautlos in Janey wütende Zorn auf eine andere Person. Klarer denn je zuvor sieht sie nun, dass Cokes Trinkerei für das Elend der Familie verantwortlich ist. Sein Alkoholismus war es, der sein Ende besiegelt, sie selbst hinter Gitter gebracht, ihren Sohn in die Obhut von ihm völlig fremden Verwandten in England verbannt und ihre Tochter in die Fänge dieses zwielichtigen Nachbarn getrieben hat. Jedes Glas, das seine benebelten Augen angeschaut und seine großen, gummiartigen Lippen berührt hatten, war wie ein Schritt in Richtung dieses schrecklichen Abgrunds gewesen,

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