Skagboys 01
runter den Walk. Zur Leith Library und dann in die Stadt. Zig Meilen. Jeden Tag. Geh sogar zum Arbeitsamt, aber da is nix zu holen. Schlag trotzdem jeden Morgen da auf. Gav Temperley meint, er würd schauen, dass er mir die guten Sachen zuschustert, aber bisher hab ich bloßn Computerlehrgang bekommen.
Da seh ich Sick Boy an der Bushaltestelle stehen. Der Typ arbeitet original null, hat die Taschen aber trotzdem immer voller Scheine, verstehste? Würd mein Arsch verwetten, dass dem seine Pinke aus den Portemonnaies seiner Schnitten stammt. Ich folge seinem Blick und sehe auf der anderen Straßenseite dieses riesige Plakat. Eins von diesen Dingern, das die Regierung aufgehängt hat, damit sich die Leute gegenseitig anschwärzen. Is fast schon wie damals in Nazideutschland, wo man die Gören ermutigt hat, ihre Alten zu verpfeifen. Da steht:
Rufen Sie uns an, und legen Sie betrügerischen Leistungsempfängern ein für alle Mal das Handwerk!
Keine Angst, wir sind diskret.
Drunter is ne große Hotline-Nummer, die man anrufen soll. Sick Boy hat das Bein angewinkelt und pocht mit seinem Fuß gegen die graue Seitenwand der Bushaltstelle. Er sieht mich kommen und meint: — Spud.
— Hey, Si, sag ich. Man kann zwar »Sick Boy« sagen, wenn wir mit den Jungs unterwegs sind, aber so alleine kommt dasn bisschen unhöflich rüber, verstehste? Also sag ich dann meistens »Si«. — Wie läuft’s?
— Wie üblich. Weibersorgen.
— Wie bei uns allen, Mann. Bei mir is die Sorge allerdings, dass keine anbeißt, verstehste?
Da lacht Sick Boy. Es ist ein nettes, breites Lachen, das sein gan zes Gesicht erstrahlen lässt, und ich kapier wieder mal, dass die Schnitten wegen genau diesem Lachen auf Sick-Cat abfahren. Wenn es dich anstrahlt, kommst du dir echt wie was ganz Beson deres vor, als wärst du auserwählt oder so. — Man kann nich ohne sie, und man kann auch nich mit ihnen. Hätte meine Karriere als Messdiener in der St. Mary’s Church weiterverfolgen und Priester werden sollen. Dann wär ich jetzt wahrscheinlich schon die rechte Hand vom Papst. Ein Leben der Einkehr und der Einsicht, weggeschmissen für ein paar Chicks, die dieses Opfer nicht zu schätzen wissen. — Was läuft bei dir so, Spud? Irgendwelche Jobaussichten?
— Das wär mal was, aber kannste knicken, Mann, mein ich. — Bin total blank und auf Stütze. Die vom Amt haben mich zu so nem Computerkurs geschickt, aber ich hatte die ganze Zeit nur Schiss, dass ich die falsche Taste drücke und das Teil in Arsch mach, verstehste?
— Computer sind nich mein Ding, sagt er kopfschüttelnd.
— Meins auch nich. Is gerade irgendwie ne Mode mit den Dingern, aber ich glaub nich, dass das lange anhält. Ich meine, die Katzen da draußen mögen einfach den zwischenmenschlichen Kontakt und so, verstehste?
— Aye, sagt er, aber ich merke, dass er nich sonderlich überzeugt is.
Ich schau noch mal zu dem Plakat rüber. Hätten auch gleich draufschreiben können: Hallo Bürger, wir können euch in schlechte Menschen verwandeln!
— Krass, oder?, mein ich zu Si und zeige auf die andere Straßenseite. — Ermuntert die Habenichtse, die Hungerleider anzuscheißen und umgekehrt. — Is fast wie 1984 , sag ich und schnalle erst danach, dass das etwas komisch kommt. — Ich meine, ähm, also, ich weiß ja, dass gerade 1984 is und so, aber ich mein das Buch, nich das Jahr, verstehste?
— Klar, ich kapier schon, was du meinst, Mann, sagt er und schaut die Straße runter, wo sich ein Bus den Walk hinaufquält. — Das is meiner, Spud. Wir sehen uns, verabschiedet er sich. Dabei zieht er nen Fünfer aus der Tasche und drückt ihn mir in die Hand.
— Ich wollte dich gar nich anpumpen oder so was, protestiere ich. Wollte ich nämlich tatsächlich nich. Is aber echt ne krass nette Geste von Si, sag ich mal.
— Schon in Ordnung, Kumpel, meint er mit einem Zwinkern und steigt in den Bus.
— Kriegste nächste Woche wieder, rufe ich ihm hinterher, als er nach hinten durchgeht und der Bus davonbrummt. Echt stark in Ordnung, mein Kumpel Sick Boy. Einer der Besten.
Dann wackele ich weiter den Walk runter, mein Schritt is aber jetzt um einiges beschwingter. Sick Boys nette Geste hat meinen Glauben an die zweibeinige Spezies erneuert. Ich geh in den Laden von Mrs. Rylance, um meine Zeitung und ein paar Kippen zu kaufen. Als ich dann das Wechselgeld in die gelbe Plastikdose mit der Aufschrift CAT PROTECTION LEAGUE stecke, strahlt sie mich an.
— Du bist ein echter Gentleman,
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