Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
Pläne haben im Laufe der Jahre dramatische Formen angenommen. Er verhielt sich wie ein Geistesgestörter, nicht mehr wie ein disziplinierter Soldat.«
Anne nickte. »Das ist das Beunruhigendste der heutigen Ereignisse, auch wenn die Gefahr gebannt ist: Es gibt schlicht keine vernünftige Erklärung für sein Handeln. Ich kann noch verstehen, dass er ein Attentat auf die Königin plante. Ich könnte mir auch eine Art von Streich vorstellen, der ihr Angst einjagen und ihre Verwundbarkeit aufzeigen sollte. Aber etwas zu planen, was man als Selbstmordkommando bezeichnen muss, geht doch über jede Logik hinaus.«
»Außer«, sagte Mary, »wenn es sich um die Logik eines Verrückten handelt. Kurz bevor die Königin auftauchte, zögerte er. Er schien nicht zu wissen, was er nun tun sollte, obwohl er bis dahin alles sehr gut geplant hatte.«
Anne nickte. »So klingt es wirklich.« Sie schwieg kurz. »Nun, wir werden es nie genau erfahren. Diejenige, die wahrscheinlich am meisten weiß, ist Mrs Dalrymple.«
Das war lange nicht so unbefriedigend, wie es hätte sein sollen, stellte Mary mit einem Anflug von düsterer Belustigung fest. Ihr wäre eine nachvollziehbare Erklärung für Wintermarchs Vorgehen lieber gewesen, aber letztendlich war es egal.
»Was Honoria Dalrymple angeht«, sagte Anne,»scheint es eine einfache Erklärung zu geben. Sie vergötterte ihren Vater und hätte alles getan, um ihm zu gefallen. Auch ihren Mann hat sie nur ihrem Vater zuliebe geheiratet und die Ehe war die Hölle. Nach Dalrymples Tod hatte sie Zeit, sich wieder ganz ihrem Vater zu widmen. Ich bezweifle, dass sie noch eine Gefahr darstellt, jetzt, wo ihr Vater gestorben ist.«
»Hingerichtet«, murmelte Mary.
Anne runzelte die Stirn. »Ja. Nun, unter den Umständen kann man kaum überrascht sein. Wenn ein Mann jemals das bekommen hat, was er verdiente …«
Mary wurde unruhig. Ihr missfiel dieses plötzliche Gefühl von Mitleid, als sie jetzt an Honoria Dalrymple dachte. Um sich davon abzulenken, fragte sie: »Aber wenn die Königin wusste, was da vor sich ging, warum hat sie Mrs Dalrymple zur Hofdame gemacht?«
»Es gibt ein altes Sprichwort«, meldete sich Felicity zu Wort, wobei sie etwas lächelte. »›Weise Männer halten ihre Freunde nah bei sich, aber ihre Feinde noch näher.‹ Vielleicht fand Ihre Majestät, dass das auch auf weise Frauen zutrifft.«
Mary fragte sich, ob sie jemals weise würde. Im Moment war sie nicht mal in der Lage, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden. Sie sagte aufs Geratewohl, was ihr in den Sinn kam: »Warum gibt es diesen Geheimgang überhaupt?«
»Du hast sicher von den Gerüchten um das Privatleben von Georg IV. gehört«, sagte Anne.
Mary nickte. Wer hatte das nicht? Der Onkel der Königin war ein notorischer Lebemann gewesen. Unmäßig in Bezug auf Essen und Wein, eine turbulente und unglückliche Ehe, zahllose Liebschaften, aus denen uneheliche Kinder stammten …
»Ich glaube, er ließ den Tunnel bauen, um sich besser mit seiner Geliebten, Mrs Fitzherbert, treffen zu können. Auch wenn er nicht im Palast wohnte, war er oft zu Gast bei seiner Mutter Königin Charlotte. Man nimmt an, dass Mrs Fitzherbert über den Fluss und durch die Kanalisation in den Palast gebracht wurde.«
Mary runzelte die Stirn. »War diese Heimlichkeit denn nötig?«
Anne zuckte die Schultern. »Bei der laxen Moral von damals wahrscheinlich nicht, aber Mrs Fitzherbert war Katholikin. Sonst noch was, Mary?«
Marys Gedanken waren ein einziges Durcheinander. Geheimgänge, heimliche Verhältnisse, unehrbare Familienmitglieder … Es gab wohl keine Familie auf der Welt ohne Geheimnisse. »Nein.«
»Und was ist mit dem Fall Beaulieu-Buckworth?«, fragte Anne. »Ist es dir gelungen, etwas herauszufinden?«
»Ach ja«, sagte Felicity. »Der Laskar.«
Auch der Frage wich Mary nicht aus. Die beiden mochten ein mehr als allgemeines Interesse an Lang Jin Hai bei ihr vermuten, aber von ihr würden sie dafür keine Bestätigung bekommen. »Ja. Der Prinz von Wales erinnert sich jetzt so weit an die Nacht vonBeaulieu-Buckworths Tod, dass er mit Sicherheit sagen kann, dass Beaulieu-Buckworth der Angreifer war.« Sie wollte den Nachnamen des Laskaren um keinen Preis aussprechen. Schließlich war es auch der ihre – was beide Frauen wussten.
»Sehr zufriedenstellend«, sagte Anne. »Hast du nachgeholfen, dass er sich erinnerte?«
»Ich habe nichts getan, was meine Rolle als Zimmermädchen überschritten
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