Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
was Anne abgelehnt hatte. Und als Anne Mary mit dem Buckingham-Palast-Fall beauftragt hatte, war Felicity unzufrieden über diese alberne und unwichtige Aufgabe gewesen.
Doch obwohl sie verärgert und enttäuscht über ihre Arbeitgeber war, wurde dadurch ihr Weg klar. Das ganze Leben lang hatte sie sich nach einer Familie gesehnt. Hatte hier, in der Akademie, eine gefunden. Dann eine zweite, noch aufregendere in der Agentur. Und jetzt löste sie sich auf. Selbst wenn sie noch Zweifel an ihrem Entschluss gehabt hätte, sich mit Lang zusammenzutun, blieb ihr nun keine andere Wahl mehr.
Zweiunddreißig
W as hältst du davon?«, fragte Felicity.
Mary setzte sich gerader hin. Ordnete ihre Gedanken. »Ich sollte wohl erst von meinem Auftrag berichten.« Sie gab einen sehr kurzen Überblick; es war schließlich kein besonders komplexer Fall gewesen. Anne und Felicity hörten dennoch aufmerksam zu.
»Die Diebstähle hörten also nicht deshalb wieder auf, weil zu viel nach außen gedrungen war – sondern weil der Prinz einige Zeit in Oxford war.« Anne schüttelte den Kopf. »Manchmal ist die einfachste Erklärung am schwersten zu glauben.«
Mary nickte. »Ja. Ich habe mir so über Palast-Gepflogenheiten den Kopf zerbrochen und versucht, die Arbeitszeiten der Dienstboten herauszubekommen, stattdessen war es nur ein unreifer Jüngling, der ein bisschen mehr Taschengeld brauchte.«
»Ziemliche Verschwendung von Zeit und Mitteln, findet ihr nicht auch?«, sagte Felicity mit gelangweil ter Stimme.
Mary antwortete schnell, ehe Anne auffahren konnte: »Wenn man nur den Fall betrachtet, vielleicht. Aber meine Anwesenheit dort – und die von James Easton – hat ein riesiges Unheil verhindert.« Während sie kurz die Geschichte von dem Grafen von Wintermarch, Honoria Dalrymple und den Kisten mit Nitrocellulose schilderte, behielt sie ihre demnächst-ehemaligen Arbeitgeberinnen im Auge. Felicity hörte mit einem wissenden Lächeln zu, das große Genugtuung verriet. Anne, die umsichtiger war, hörte mit unbewegter Miene zu und hatte den Kopf nachdenklich zur Seite geneigt. Als Mary endete, schwiegen alle einige Sekunden.
Dann sagte Anne: »Wir waren im Verzug mit den Hintergrundinformationen, die du wolltest. Inzwischen habe ich jedoch einige Fakten gesammelt, die vielleicht helfen, dieses bizarre Verhalten zu erklären.«
Mary rutschte auf ihrem Stuhl hin und her. Sie hatte keine Zeit für derlei. Sie wollte nichts als zum Tower, zu ihrem Vater, zu ihrer Zukunft. Doch wenn sie jetzt kein Interesse zeigte, würde ihr plötzliches Verschwinden später vielleicht Misstrauen wecken. Nein, alles musste völlig normal wirken, wenn ihr Fluchtplan gelingen sollte. »Das Verhalten von Wintermarch?«
»Keineswegs eine Erklärung; eher eine Theorie oder eine mögliche Interpretation«, sagte Felicity.
Anne wehrte sich gegen diese Einschränkung. »Wie du wohl gehört hast, hat der Graf den Ruf, äußerstkonservativ zu sein; sein Abstimmungsverhalten im Oberhaus bestätigt das. Soviel ich gehört habe, lässt er im engen Kreis und in Briefen an Freunde seinen Unmut über den Tatbestand einer weiblichen Monarchin aus. Außerdem hat er große Vorurteile den Deutschen gegenüber und hat in Briefen, ebenfalls an enge Freunde, die königliche Familie wegen ihrer Abstammung verunglimpft. Er hält sie für nicht ausreichend englisch und stellt sogar ihre Loyalität dem Land gegenüber infrage.
Allerdings hat Wintermarch bis vor ungefähr zehn Jahren im Ausland gelebt. Als sein älterer Bruder starb, war er gezwungen, seine Militärlaufbahn aufzugeben und den Titel zu übernehmen. Die meisten der genannten Vorwürfe stammen aus der Zeit, ehe er Graf wurde, und wurden vermutlich daher von den meisten nicht ernst genommen. Man muss außerdem festhalten, dass seine abartigen Äußerungen nie von Taten begleitet wurden. Anscheinend hatte er erst, als er nach England zurückkehrte, genug Zeit und Langeweile, etwas derart Gefährliches zu planen.«
Mary runzelte die Stirn. Sie hatte gar nicht zuhören wollen, doch ihre Ausbildung war so gründlich gewesen, dass sie die Information trotzdem aufnahm. »Wollen Sie sagen, dass die Berater von Königin Victoria über die Bemerkungen des Grafen Bescheid wussten, sie aber einfach nicht ernst nahmen?«
Anne neigte den Kopf. »Oder sie hatten nicht genügend Anlass, sie zu verfolgen. Schließlich ist dieKönigin ja wohl an den Klatsch und das Lästern in Adelskreisen gewöhnt.«
»Aber seine
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