Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
Beweise. Aber sie konnte die Agentur informieren. Von dort konnte man Jones beschatten lassen. Oder sogar seine Wohnung durchsuchen lassen. Sie hoffte, dass das klappte, auch wenn sie auf ihre Anfragen zu Honoria Dalrymple oder dem Tunnel bisher keine Antwort erhalten hatte.
Mary rieb die Türknöpfe und Fenstergriffe mit einer dünnen Schicht der Politur ein und dachte über die Diebstähle nach. Auch wenn Jones ihr Hauptverdächtiger war, konnte sie die Sache noch nicht als erledigt betrachten. Schließlich gab es noch das Problem Honoria Dalrymple. Dass sie durch den Geheimgang geschlichen war und versucht hatte, den Prinzen von Wales zu verführen, verhieß eindeutig nichts Gutes. Es war jedoch unklar, ob sie etwas Strafbares plante, was unterbunden werden musste, oder ob es sich nur um leichtfertigen Unfug handelte, in welchem Fall die Agentur nicht zuständig war.
Wenn sie und James sich gestern Abend nur auf eine genauere Strategie geeinigt hätten! Sie hattenalles offen gelassen. Jeder sollte versuchen, im Lauf des Tages so viel herauszubekommen wie möglich. Aber ihr wäre es lieber gewesen, wenn sie gewusst hätte, was James unternahm – und warum.
»Hier bist du.«
Erschrocken drehte Mary sich um. In der Tür, ein steifes, eigenartiges Lächeln um die Lippen, stand die zweitletzte Person aus dem Palast, die sie heute sehen wollte. Sie knickste unbeholfen. »Mrs Dalrymple.« Es erstaunte Mary nicht sehr, als Honoria eintrat und die Tür hinter sich schloss. Was sie jedoch erstaunte, war, einen Anflug von Unsicherheit hinter dem neutralen Ausdruck von Honoria zu entdecken. Und richtig erschrak sie, als Honoria zu reden begann.
»Die Ereignisse dieses Morgens waren sehr bedauerlich für alle Anwesenden«, sagte die Hofdame mit freundlichem, geschäftsmäßigem Ton.
»Ja, Ma’am.«
»Ich hege keinen Groll gegen dich, Quinn, wegen der Sache, die du gesehen hast. Du hast nur deine Pflicht getan.« Ihr Ton war erstaunlich großmütig.
»Danke, Ma’am«, sagte Mary, als ihr klar wurde, dass die Hofdame eine Antwort erwartete.
Honoria runzelte die Stirn und begann auf und ab zu gehen – Anzeichen von Unbehagen, die Mary noch mehr verwunderten. »Ich bin nicht zu blind, um den Tatsachen ins Auge zu blicken«, fuhr Honoria fort. »Obwohl ich, wie du ja von dem Herrn gehört hast, etwas zu reif für seinen Geschmack bin, istoffensichtlich, dass das auf dich nicht zutrifft.« Bei diesen Worten fuhr sie herum und fixierte Mary mit hartem Blick.
»Ma’am?«
»Weiche mir nicht aus, Quinn. Es ist eindeutig, dass Bertie ein Auge auf dich geworfen hat. Er bittet nicht jedes neue Zimmermädchen, ihm das Frühstück zu bringen, und empfängt sie dann auch noch im Morgenmantel.«
Mary spürte, wie sie rot wurde. »So ist es nicht, Ma’am. Ehrlich, ich will diese Art von Aufmerksamkeit gar nicht.«
Honorias perfekt geformte Augenbrauen fuhren in die Höhe. »Du überraschst mich, mein liebes Mädchen. Die meisten jungen Frauen in deiner Stellung würden alles Mögliche geben für solch eine Gelegenheit.«
Sie war also auf einmal Honorias »liebes Mädchen«? »Sie mögen es seltsam finden, Ma’am, aber ich finde die Vorstellung nicht angenehm.«
Honoria ließ sich im nächstbesten Sessel nieder und überkreuzte die Knöchel – eine entspannte Haltung, von der sich Mary jedoch nicht täuschen ließ. »Du ziehst stille Plackerei also einem Leben als Favoritin eines Mitgliedes der königlichen Familie vor?«
Mary war verblüfft. »Das bedeutet doch nicht, dass ich gleich eine Favoritin bin, Ma’am. Das flüchtige Interesse eines jungen Mannes wäre ein Unheil für mich.«
»Pfff! Sehr melodramatische Worte. Junge Frauen heutzutage sind ja so prüde, keusche Dinger.«
Mary gestattete sich ein winziges Lächeln. »Deuten Sie an, dass ich mein Glück versuchen sollte, Ma’am?«
Honoria richtete sich abrupt auf, sah Mary direkt an und sagte: »Ich habe dir einen Vorschlag zu machen, junge Dame. Er kann dir deine Zukunft sichern, wenn du mutig genug bist.«
Mary legte ihr Putztuch nieder und wartete. Allmählich wurde es interessant.
»Eine Frau, die mit einem Mann ins Bett geht, übt eine große Macht über ihn aus. Er merkt das oft nicht, was die Sache noch verstärkt. Sie kann ihm Fragen stellen, die keiner sonst zu fragen wagt, oder ihn zu Dingen überreden, die er sonst nie in Erwägung ziehen würde. Kannst du mir folgen?«
»Ich denke schon, Ma’am.«
»Dieser Herr verfügt über Wissen,
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