Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
ungeschickte Hand weg, erhob sich mit bemerkenswerter Würde, soweit es die Umstände zuließen, und stürmte mit gerecktem Kinn an Mary vorbei.
Vom Gang her ertönten ein paar scharfe Schläge, nackte Haut auf nackte Haut, und Mary lächelte. Die Lümmel hatten doch noch ein bisschen bekommen, was sie verdienten. Prinz Berties Kopf war rot wie eine Tomate, sein Mund geöffnet und schlaff. Er starrte auf Mary und das Tablett, das sie trug, dann zu seinen immer noch kichernden Kammerherren vor der Tür. »Mein Gott. Ich – ich – ich weiß nicht, was ich sagen soll.« Er ließ sich in den Sessel sinken, dann sprang er wieder auf, als habe er sich daran verbrannt. Setzte sich auf einen anderen Stuhl. Räusperte sich. »Herrje. Dem Himmel sei Dank, dass du nicht meine Mutter bist.«
Seine Hoheit war zu durcheinander, um viel mehr zu tun, als Kaffee zu trinken und sich über Honoria Dalrymples Betragen zu wundern. Mary war erleichtert – an diesem Tag würde sie sich des Prinzen nicht erwehren müssen –, doch gleichzeitig war sie beunruhigt. Wie würde sich Honoria an jenen, die ihre Demütigung miterlebt hatten, rächen? Ihr Einfluss auf die Kammerherren war zweifelhaft – sie mochten zwar Flegel sein, aber sie waren adlige Flegel. Doch an einem unglückseligen Zimmermädchen konnte sie sehr wohl Rache üben, vor allem mit Mrs Shaws stillschweigendem Einverständnis. Marys Perspektiven im Palast sanken rasch. Und sich um die Unterstützung des Prinzen zu bemühen, hatte auch keinen Sinn. Selbst wenn sie ihm ihre Lage verdeutlichen konnte, selbst wenn sie seinen Preis zahlte, war der junge Mann zu schwach, um von Nutzen zu sein. Die einzigen Personen, die ihr helfen konnten, Anne und Felicity, waren seltsamerweise ungewöhnlich stumm.
Mit anderen Sorgen, aber dennoch genauso gemischten Gefühlen und voller Befürchtungen räumte sie die Reste des königlichen Frühstücks ab und eilte in den Küchenbereich zurück. Prinz Bertie stand immer spät auf und es war fast an der Zeit für das Mittagsmahl der königlichen Familie. Doch dabei oblag es Mrs Shaw, den gedünsteten Fisch nach übersehenen Schuppen abzusuchen, die Garnierungen der einzelnen Gänge zu beaufsichtigen und darauf zu achten, dass das Obst in perfekter Symmetrie auf den Tellern angerichtet war. Wenn sie Glück hatte, konnteMary mit dem Staubwischen weitermachen, das von Prinz Berties Frühstück unterbrochen worden war.
Als sie jedoch in den Dienstbotenbereich zurückkehrte, hatte sich die Stimmung gewandelt. Statt des üblichen angeregten Stimmengewirrs der vielen Diener während ihrer Arbeit herrschte eine abwartende, lauschende Anspannung. Lakaien verdrehten vielsagend die Augen. Mädchen gingen hastig ihrer Arbeit nach und schwiegen dabei. Es war unheimlich, und als Mary Sadie entdeckte, sprach sie sie direkt an.
»Was ist denn los?«, flüsterte sie. Das rothaarige Mädchen, das sonst immer so fröhlich war, staubte ein bereits makelloses Büfett mit raschen, nervösen Bewegungen ab.
»Mrs Shaw ist auf dem Kriegspfad. Es gibt Ärger in der Speisekammer – mit den Gläsern mit Eingemachtem stimmt was nicht, und sie rastet total aus.«
»Hat sie das Speisekammermädchen gefeuert?«
Sadie biss sich auf die Lippe. »Ja. Aber es kommt noch schlimmer. Sie hat das Mädchen gescholten, und unsere Amy, die im Hintergrund stand, hat die Augen verdreht, nur so zum Spaß, weißt du, und da ist Mrs Shaw richtig böse geworden. Sie hat Schaum vor dem Mund gehabt. Sie hat Amy gepackt und geschüttelt, und da ist so ein kleines Schmuckding aus Amys Kleid gefallen und auf dem Boden gelandet, und dann –« Sadie musste Luft holen.
Mary schloss die Augen. Sie wusste, wie es weiterging.
»Mrs Shaw ist totenstill geworden. Und dann hatsie gelächelt, ganz böse. Und sie hat gesagt, jetzt hätte sie die Antwort und Amy sei gefeuert, wegen Klauen. Amy war zuerst empört, aber als Mrs Shaw das mit dem Klauen gesagt hat, ist sie totenstill geworden – als ob sie richtig Angst gekriegt hat.«
»Wo ist sie jetzt?«
Sadie machte eine Bewegung mit dem Kinn. »Dachboden. Mrs Shaw beaufsichtigt Amy beim Packen.«
Mary stellte sich vor, wie Mrs Shaw schadenfroh hinter Amy stand, während Amy ihren Lebensunterhalt, ihr Heim und ihren Ruf verlor. »Hat Amy bestritten, gestohlen zu haben?«
Sadie schnaubte. »Die klaut doch nicht, unsere Amy.«
»Schon, aber hat sie irgendwas zu Mrs Shaw gesagt?«
»Nein … sie hat überhaupt
Weitere Kostenlose Bücher