Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
Ihnen helfen?«, fragte James.
Wintermarch schnaubte abfällig. »Ich bin vielleicht alt, aber kein Narr. Sie wollen, dass ich das Gleichgewicht verliere oder mir zumindest die Pistole entreißen. Nein danke, Easton. Ich stehe ganz gut hier.«
»Aber was haben Sie vor?«, fragte Mary. »Sie erreichen doch nichts, wenn Sie den Palast in die Luft sprengen und zwei Bürgerliche ermorden – und dabei selbst draufgehen.« Sie war kaum in der Lage, das Zittern ihrer Stimme zu unterdrücken, das eher von ihrer Wut zeugte als von Angst. Sie dachte an Lang, der krank und einsam im Cradle Tower saß und auf ihren Besuch wartete, der nie stattfinden würde. Er würde annehmen, dass sie sich umentschiedenhatte, sich drückte, ihr Versprechen gebrochen hatte. So etwas schien in der Familie zu liegen.
Wintermarch zog unwillig die Brauen zusammen. »Das reicht jetzt. Wenn Sie meine Frau wären, würde ich Ihnen etwas Höflichkeit einprügeln.«
Die Vorstellung war genug, um sie empört aufstöhnen zu lassen. »Logische Zusammenhänge aufzuzeigen ist doch nicht unhöflich.«
Mit einer Unmutsfalte zwischen den Brauen sah Wintermarch James an. »Sie sollten ihr mal etwas Respekt beibringen.«
James lächelte und zuckte die Schultern. »Sie hat absolut recht.«
Der alte Mann knurrte, stellte seine Laterne ab und murmelte etwas Unschmeichelhaftes über die junge Generation. Dennoch schien er zum ersten Mal seit seinem plötzlichen Auftauchen etwas verunsichert – als habe die Unverfrorenheit dieser beiden ihm den Schwung genommen.
Marys Muskeln zuckten von der langen Anspannung. Sollte sie sich auf ihn stürzen? Würde er vorbeischießen oder doch zögern zu feuern – vor allem auf eine unbewaffnete Frau? Sein reaktionäres aristokratisches Verhalten konnte ihr zum Vorteil gereichen, allerdings nur, wenn er logisch agierte. Doch da Wintermarch so absolut unberechenbar war, blieb sie wie angewurzelt stehen.
Während das Geschehen also stockte, geschah etwas, was keiner erwartet hatte. Ein Paar Stiefel ließ sich ziemlich schwerfällig von der Leiter auf den Bodendes Raumes mit dem Sprengstoff herab. Eine äußerst vertraute, jedoch absolut unerwartete Stimme sagte »Uff«. Und die kleine, plumpe Gestalt von Königin Victoria tauchte hinter den Kisten auf.
Alle drei standen mit offenem Mund da, zu verblüfft, um etwas zu sagen oder auch nur einen Laut zu machen. In diesem unterirdischen Raum, der von einer einzigen flackernden Laterne erleuchtet wurde und in dessen Hintergrund das Abwasser plätscherte, musste das vertraute Gesicht der Königin einfach eine Halluzination sein. Doch während sie noch starrten, begann die Erscheinung zu reden.
»Ein ziemlich schlauer falscher Alarm, Wintermarch, wenn Wir auch nicht begreifen, was Sie mit dieser Nummer zu erreichen hoffen.«
Der Graf zuckte mit den Augenlidern und stammelte: »Das ist doch ziemlich offensichtlich.«
»Nein«, sagte Ihre Majestät bestimmt, »ganz und gar nicht.«
»Nun, ich habe damit bewiesen, dass Sie angreifbar sind. Dass die Verteidigungs- und Sicherheitsmaßnahmen unzulänglich sind.«
»Das wird immer so sein, Wintermarch. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Doch Unser Leben liegt in Gottes Hand, und Wir tun unser Bestes, die Regierungsgeschäfte zu führen, trotz dieser ständigen vagen Bedrohung.«
»Die ist aber gar nicht so vage«, höhnte er. Doch sein Vorstoß war lahm.
»Es ist wahr, dass das Leben eines einzelnen Monarchenjeden Augenblick ausgelöscht werden kann. Aber was wäre damit erreicht?«, fragte die Königin. »Nach Unserem Tod haben Wir vier männliche Thronerben; der Fortbestand des Hauses Sachsen-Coburg-Gotha ist gesichert. Der Prinzgemahl ist noch jung; er würde dem zukünftigen König noch Jahrzehnte mit Rat zur Seite stehen. Sie können einen einzelnen Monarchen töten, Wintermarch, aber mit Königsmord erreichen Sie gar nichts.«
Ihre Majestät verstummte erwartungsvoll, doch Wintermarch war nicht zu einer Antwort fähig. »Abgesehen davon, wagen Sie denn zu glauben, dass Ihr Komplott so geschickt, so überaus originell ist, dass Wir von Ihren verräterischen Absichten nicht seit einiger Zeit gewusst haben? Es ist der Grund, warum Ihre Stieftochter kürzlich befördert wurde und zu Ehren kam, denn Wir haben gerne ein Auge auf unsere Feinde. Wie Unsere Vorgängerin, Königin Elisabeth, bekanntlich sagte: ›Ich habe zwar den Körper einer schwachen und kraftlosen Frau; aber ich habe Herz und Leib eines Königs, und
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