Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
voneinander. Es bedeutet, dass wir kaum abschätzen können, was er als Nächstes tun wird.«
Sie wollte gerade antworten, wurde jedoch unterbrochen, allerdings nicht weil James weiterredete,sondern von einem unerwarteten Aufleuchten. Ei gentlich war es nicht viel mehr als ein warmes Glühen. Aber nach all dieser Dunkelheit blendete es doch. Beide erstarrten. Hielten den Atem an. Kniffen die Augen zusammen.
James legte die Hand auf ihren Arm und schob sie sanft stromaufwärts, mit der stummen Aufforderung:
Rückzug.
Sie setzten sich langsam in Bewegung und nutzten das Spritzen des Fremden, um ihr eigenes Platschen zu überdecken. Ein kurzer Rückzug war in Ordnung – er bot die Möglichkeit zu überlegen, den nächsten Schritt zu planen. Aber sie durften nicht zu weit zurück – das Letzte, was sie wollten, war eine offene Flamme in der Nähe der Schießbaumwolle. Hinter der nächsten Biegung blieben sie in stummer Übereinstimmung stehen.
James zog sie zu sich und legte den Mund an ihre Ohrmuschel. »Geh«, sagte er. »Hol Hilfe.«
»Komm mit. Wenn du bleibst, richtest du auch nichts aus.«
»Ich will versuchen, ihn zur Vernunft zu bringen.« Wieder schob er sie sanft weiter. »Geh. Das ist unsere beste Chance.«
»Einen Verrückten kann man nicht zur Vernunft bringen«, zischte sie. »Komm mit. Wir müssen den Palast verlassen, ehe er ihn in die Luft sprengt.«
»Wir haben nicht genug Zeit.«
»Genau!«
Sie starrten sich gegenseitig an. Wenn die Situation weniger ernst gewesen wäre, hätte Mary losgelacht– das war wieder mal so typisch für sie beide. Aber je mehr Zeit sie mit Streiten zubrachten, desto sicherer war ihr Tod. Sie sah James an, seinen fieber haften , entschlossenen Blick, und ihr wurde klar, dass sie ihn vielleicht nie wiedersehen würde. Das war doch nur ein Trick, um sie in Sicherheit zu bringen. Ihr Leben auf Kosten seines eigenen zu retten. Sie konnte dieses Angebot entweder annehmen oder es ablehnen – womit sie auch nichts erreichen würde.
Er drängte sie wieder zurück, diesmal energisch, und sie gab nach. Sie legte einen Arm um seinen Hals, zog ihn herunter und küsste ihn stürmisch auf die Lippen. »James, ich –« Er sah sie fest an und plötzlich schnürte es ihr die Kehle zu. »Ich –« Sie versuchte die nächsten Worte zu formen, sie auszusprechen. Es ging nicht.
Das Spritzen des Eindringlings wurde lauter und sie wandte sich schnell ab. Sie konnte ihn keinen Moment länger ansehen. Als sie weiter stromaufwärts ging, trübte sich ihr Blick bereits vor Tränen. Sie biss die Zähne zusammen und zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Das fehlte noch, wenn sie seine großzügige Geste oder ihren wenig aussichtsreichen Versuch, Hilfe zu holen, damit verdarb, dass sie jetzt ausrutschte.
Sie war schon fast da. Nur noch wenige Schritte trennten sie von dem Raum mit der Schießbaumwolle, da leuchtete das Licht plötzlich hell auf, und sie hörte, wie James sagte: »Guten Tag.« Seine Stimmewar ruhig und kühl. »Ich habe mich schon gefragt, wann Sie wieder auftauchen würden.«
Es entstand eine deutliche Pause. Sie wagte es nicht, sich zu rühren. Eine plötzliche Bewegung konnte bei dem Eindringling Panik auslösen. Dann sagte eine neue Stimme: »Ah – Sie sind also der Kerl, der kürzlich in der Nacht hier sein Unwesen getrieben hat.« Die Stimme gehörte eindeutig einem Mann aus der Oberschicht und sie klang alt und etwas belegt. Marys Gedanken überschlugen sich. Sie kannte die Stimme. Hatte sie schon einmal gehört. Aber wann? »Mischen sich in die Angelegenheiten anderer ein.«
»Wohl kaum«, sagte James. Er schaffte es, leicht belustigt zu klingen. »Ich bin verantwortlich für die Sicherheit dieser Tunnel. Man könnte eher sagen, Sie pfuschen mir ins Handwerk.«
Ehe eine Erwiderung kam, hörte Mary ein metallisches Klicken. »Möchten Sie diese Unverschämtheit noch mal wiederholen?«, sagte der Eindringling jetzt gereizt. Kurzes Schweigen. »Dachte ich mir. Mit einem alten Mann würden Sie vielleicht fertig, aber nicht mit seinem treuen Gehilfen.«
Mary runzelte die Stirn. Sie versuchte, die hüpfenden Schatten in den blendenden Strahlen, die mehr verbargen, als sie erhellten, zu deuten. Und dann entdeckte sie, was es mit dem »Gehilfen« auf sich hatte: eine glänzend schimmernde Waffe, die direkt auf James’ Brust gerichtet war. Marys Herz machte einen Satz, und sie unterdrückte den sinnlosen Drang, auf die beiden
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