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Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3

Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3

Titel: Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Lee
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zurückkehren.
    Zur Akademie   – nicht in die Agentur. Sie fühlte sich nicht imstande, Anne und Felicity ihren Bericht zu überbringen. Was sie brauchte, war ein stilles Zimmer mit einem Schloss an der Tür; ein Ort, wo sie ohne Störung nachdenken konnte. Ihre Gedanken waren nämlich ziemlich durcheinander. Sie schlüpfte zur Küchentür hinein, legte den Finger auf die Lippen und lächelte Ellie, dem treu sorgenden Küchenmädchen der Akademie, zu. Ellie erwiderte das Lächeln nachsichtig. Sie war an das Kommen und Gehen der Mädchen gewöhnt und mit einem vollkommenen Mangel an Neugier gesegnet.
    Die Schülerinnen waren noch im Unterricht; trotz der vielen Ereignisse des Tages war es erst später Nachmittag. Mary erreichte ihr Zimmer, ohne irgendwem zu begegnen, schloss die Tür ab und suchte zusammen, was sie brauchte. Unter einer Bodendiele zog sie einen Umschlag mit Pfundnoten hervor   – der ersparte Lohn ihrer zweijährigen Tätigkeit für die Agentur; dann ein Empfehlungsschreiben auf feinem Briefpaper, das den tadellosen Charakter und die Geduld von Miss Anne Hastings als Gesellschafterin attestierte. Statt ihrem Kleid zog sie ein dunkelblauesWollgewand an, das wärmste und einfachste, das sie hatte, und dazu ihre robustesten Stiefel. Dann war sie bereit.
    Oder auch eigentlich wieder gar nicht. Schwer setzte sie sich an ihren Schreibtisch und starrte die zerkratzte Oberfläche an. Generationen von Mäd chen hatten an diesem Tisch gesessen und ihre Spuren hinterlassen. Dass sie dazugehörte   – zu diesem mutigen Unternehmen zugunsten verarmter junger Frauen   –, hatte ihr immer gefallen. War sie bereit, dieses Leben, diese Identität, gänzlich hinter sich zu lassen? Denn das hatte sie Lang versprochen.
    Sie hatte es aus ganzem Herzen getan. Doch jetzt, als sie in ihrem Zimmer saß, in dem einzigen Zuhause, das sie seit zehn Jahren gehabt hatte, überlegte sie, was es bedeuten mochte, eine Familie für eine andere zu verlassen. Anne und Felicity hatten ihr Zuneigung geschenkt. Sie hatten sie erzogen, ihr ein Heim geboten, sie ausgebildet. Sie hatten ihrem Leben einen Sinn gegeben. Ihre Treue Lang gegenüber erwuchs nur aus ihrer Herkunft, aus dem irrationalen Wunsch nach einem Blutsverwandten, selbst wenn er sich weigerte, diese Verwandtschaft anzuerkennen. Es stimmte, dass die Agentur sie bei diesem letzten Fall teilweise im Stich gelassen hatte. Doch dieses Schweigen war eine Bagatelle, vor allem wenn man es mit Langs Abwesenheit und Schweigen verglich. Sie konnte von Anne und Felicity kaum Perfektion erwarten, wo sie selbst doch weit entfernt davon war, fehlerlos zu sein. Und dennoch.
    Und dennoch.
    Sie stand auf und schob den Stuhl zurück. Sah sich ein letztes Mal im Zimmer um, verabschiedete sich. Sie nahm keine persönlichen Dinge mit, nichts, was andeutete, dass sie ihr Verschwinden geplant hatte. Nur gut, dass sie Erfahrung darin hatte, immer wieder neu zu beginnen.
    Plötzlich kam ihr Phönix in den Sinn: Sie war zwar kein Phönix, der immer wieder aus der Asche aufstieg, dachte sie mit einem kleinen Lächeln, aber sie rappelte sich auch immer wieder auf. Mit sechs oder sieben Jahren. Mit zwölf. Mit zwanzig. Und, sagte sie sich, ein weiteres Mal nach dem Tod ihres Vaters. Seinem zweiten Tod, wie sie leicht amüsiert feststellte. Sie waren eine ganze Phönix-Familie.
    Sie schloss die Tür auf, holte tief Luft und trat hinaus   – direkt in die Arme von Anne Treleaven, die gerade bei ihr anklopfen wollte.
    Anne blinzelte. »Ah, Mary. Ellie hat mich benachrichtigt, dass du wieder da bist. Wolltest du gerade nach oben kommen?«
    Mary starrte sie kurz an. Schließlich sagte sie mit erstickter Stimme: »Ja.«
    Sie folgte Anne die Treppe hinauf und wappnete sich für die übliche Berichterstattung. Viel hatte sie nicht zu erzählen   – sie wusste ja bisher nicht viel von Wintermarchs Vorhaben, ganz zu schweigen von Honoria Dalrymples Beteiligung daran. Aber sie würde eben berichten, was sie konnte. Und dann würde sie gehen, nachdem sie ja zumindest ihren ursprünglichenAuftrag abgeschlossen hatte. So war es besser, sagte sie sich, wenn auch ohne große Überzeugung. Sie berührte ihre Tasche. Ihre Zukunft steckte darin. Ein seltsamer Talisman, aber genug für den Moment.
    Beim Eintreten in das Zimmer fiel Marys Blick auf Annes Schreibtisch, der meistens so aufgeräumt war. Jetzt stapelten sich dort Ordner und beschriebene Blätter. Ihr Blick glitt zum Bücherschrank, der durchstöbert

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