Skandal In Belle Terre
um gesehen zu werden und um herauszufordern.
Jericho war voller Sorge. In der Nacht lag er oft lange wach, und das Essen schmeckte ihm auch nicht mehr. Was würde der Verfolger sich als Nächstes ausdenken? Jericho wusste, er musste einen kühlen Kopf bewahren, solange Maria in Gefahr war.
Aber das war leichter gesagt als getan.
Trotz seiner inneren Anspannung gab sich Jericho nach außen hin locker. Nur er wusste, dass er die Daumen nur deshalb lässig in die Gürtelschlaufen gesteckt hatte, um schnell zu der Pistole greifen zu können, die er unter der lose sitzenden Jeansjacke verbarg.
„Da drüben”, sagte er leise und wies in Richtung des Brunnens. „Das ist Johnny Cavender. Er hat diesmal seinen Sohn mitgebracht.”
Maria hatte Cavender schon früher gesehen. Der schlanke Mann gehörte zu den wenigen, die sich in der Mittagspause immer etwas zu essen mitbrachten. Falls er Maria wiedererkannte oder sich in ihrer Gegenwart unwohl fühlte, so war ihm das nicht anzumerken.
„Der Junge sieht fröhlich aus.” Er war klein, aber Maria wusste, dass er schon neun war. „Er scheint sich mit der Krankheit seiner Mutter abgefunden zu haben.”
Jericho sah zu, wie das Kind ein Hufeisen warf, das mit hellem „Pling” gegen den Pfahl prallte. „Das hat einige Zeit gedauert, denn psychische Krankheiten kann ein Kind nur schwer verstehen. Johnny geht prima mit ihm um, und auch seine Schwiegermutter ist eine große Hilfe.”
„Wenn du dir Johnny ohne seinen Anzug vorstellst, erinnert er dich dann an einen von früher?” Schon den ganzen Vormittag lang beobachtete Jericho Maria genau. Aber bisher hatte sie sich nicht anmerken lassen, ob sie jemanden erkannte.
„Nein.” Sie blickte die beiden an, ihr fröhliches Lachen war deutlich zu hören. „Und ich glaube, wir können Johnnys Namen von der Liste streichen. Und auch die anderen, die wir hier in der letzten Woche sahen, wirken nicht verdächtig.”
„Warum?” Jericho war zu dem gleichen Schluss gekommen, aber er wollte gern ihre Gründe hören.
„Sie verhalten sich alle vollkommen normal, und ich scheine sie überhaupt nicht zu beunruhigen. Keiner geht mir aus dem Weg oder kommt nicht mehr in den Park, weil ich hier bin.”
„Dann glaubst du also, dass die Leute hier alle unschuldig sind?”
„Ja.”
„Oder jemand ist ein verdammt guter Schauspieler.”
Maria seufzte leise. „Wenn ich mich irre, muss er schon sehr gut, zu gut sein.” Sie sah nachdenklich vor sich hin. „Jeden Ta g kommt ein kleiner Junge im Rollstuhl hierher und füttert die Eichhörnchen am Brunnen. Er ist noch zu jung, um allein zu leben, aber er wird nie von jemandem begleitet.”
„Das ist Joey Sims. Sein Vater arbeitet hier im Park. Da er das Geld für einen Kindergarten nicht aufbringen kann, nimmt er den Jungen immer mit. An schönen Tagen lässt er ihn allein im Park. Aber Tom weiß, dass Joey nichts passieren kann, denn alle lieben ihn.”
„Und wenn es regnet? Was passiert dann mit dem Kind?”
„Tom arbeitet auch für meine Mutter und meine Großmutter als Chauffeur und Gärtner. Wenn das Wetter schlecht ist, haben sie für Tom immer etwas im Haus zu tun. Sie lieben den kleinen Joey und streiten sich beinahe um ihn.” Jericho lachte leise.
„Weshalb muss Joey denn im Rollstuhl sitzen?”
„Er hatte einen Autounfall. Toms Frau fuhr gegen einen Baum und bekam selbst kaum eine Schramme ab. Joey hatte nicht so viel Glück. Er hatte eine schwere Kopfverletzung und einen Wirbelbruch. Das passierte vor drei Jahren an seinem zweiten Geburtstag.”
Maria runzelte die Stirn. „Du sagst, die Mutter hätte kaum etwas abgekriegt. Wo ist sie denn jetzt?”
Jericho fluchte leise. „Wer weiß? Sie verschwand unmittelbar nach dem Unfall und ließ Joey im Auto sitzen. Man sagt, sie hätte einen Lastwagen angehalten. Danach hat man sie nie wieder gesehen. Erst am nächsten Morgen fand man den Unfallwagen.”
Maria krampfte sich das Herz zusammen, wenn sie an das hilflose kleine Kind dachte, das stundenlang allein und schwer verletzt nach seiner Mutter geschrien hatte. „Tom Sims ist sicher ein guter Vater.”
„Das schon. Manchmal kommt er mir ein wenig überheblich vor.”
„Eine Familie Sims war damals in unsere Straße gezogen”, sagte sie, „kurz bevor ich Belle Terre verließ. Aber da waren zwei Jungen.”
„Das ist die Familie. Toms Eltern leben immer noch da. Tony, der ältere Bruder, kam während des Krieges im Irak um. Tom ist wirklich ein
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