Skandal um Prinzessin Natalia (Julia) (German Edition)
tatsächlich wenig oder so gut wie gar nichts in ihrem Leben geleistet hatte. Aber wie sollte sie das ändern?
Die Zofe kehrte mit den samtenen Schmuckschatullen zurück und legte sie auf dem Frisiertisch ab. Königin Zoe öffnete die größte und nahm behutsam die funkelnde Tiara heraus. „Es wird Zeit, sich wie eine Prinzessin zu benehmen und die Rolle auszufüllen, für die du geboren bist, Natalia“, sagte sie mit ruhiger, fester Stimme. „Und damit fängst du gleich heute Abend an.“
Die Zofe nahm ihrer Herrin das Diadem ab und drückte es behutsam auf Königin Zoes silbergraues Haupt. Die Blicke von Mutter und Tochter begegneten sich im Spiegel. Natalia glaubte eine Spur Mitgefühl zu erkennen, aber in jedem Fall Unnachgiebigkeit.
Eine Stunde später, sittsam gekleidet in einer elfenbeinfarbenen, dezenten Abendrobe, folgte Natalia ihrer Mutter in den offiziellen Empfangssaal des Palasts. Sie hasste es, sich als herausgeputzte Modepuppe in einer Art Fleischbeschau präsentieren zu müssen. Der Abend zog sich schrecklich in die Länge. Während ihre Eltern souverän gesellschaftliche Nichtigkeiten mit den geladenen Gästen austauschten, machte Natalia sich nicht einmal die Mühe, ihnen zuzuhören. Schon früh hatte sie gelernt, in derartigen Fällen lieber den Mund zu halten, als irgendetwas Falsches zu sagen.
„Wenigstens ein Lächeln könntest du dir abringen“, zischte Königin Zoe ihr zu, während sie in den Speisesaal wechselten. „Du bist steif wie ein Stück Holz.“
„Ich dachte, genau das verlangst du von mir.“
Dafür erntete sie einen vernichtenden Blick, der ihre Laune noch mehr in den Keller sinken ließ. Missmutig nahm sie ihren Platz an der Dinnertafel ein und schaltete endgültig ab, bis sie im Konversationsfluss um sich herum ihren Namen hörte.
„Prinzessin Natalia scheint ein offenes Naturell zu haben und sich gern zu amüsieren, oder täusche ich mich?“ Das kam von einem distinguiert wirkenden Gast aus dem Mittleren Osten und war an ihre Mutter gerichtet.
„Wie die meisten jungen Mädchen heutzutage“, bestätigte Königin Zoe mit sparsamem Lächeln. „Was sie zukünftig braucht, ist ein starker Mann an ihrer Seite, der ihr Halt und Führung gibt.“
Fast hätte sich Natalia an ihrer Vichyssoise verschluckt. Ganz sicher brauchte sie niemanden, der sie führte oder sonst wie manipulierte! Die Vorstellung, wie eine Preisstute an irgendeinen namenlosen, aristokratischen Hengst verschachert zu werden, ließ ihren Magen vor Angst und Wut rebellieren.
„Momentan engagiert sich die Prinzessin gerade in einem Charity-Projekt für benachteiligte Kinder“, fuhr Königin Zoe stolz fort. „Und sie fühlt sich ausgesprochen bereichert durch die gemeinnützige Arbeit, nicht wahr, meine Liebe?“
Natalia dachte an die endlosen Kopien, Briefumschläge und T-Shirts. „Sehr“, bestätigte sie mit gezwungenem Lächeln.
Auch ihre Mutter lächelte, während der dunkelhaarige Fremde zufrieden nickte. „Es freut mich zu hören, dass die Prinzessin einen neuen Kurs eingeschlagen hat.“
„ Die Prinzessin ist aus Fleisch und Blut und kann ebenso gut hören wie sprechen“, entfuhr es Natalia, bevor sie sich bremsen konnte. In der eintretenden Stille griff sie trotzig nach ihrem Weinglas und nahm einen großen Schluck. Verdammt, sie war siebenundzwanzig, eine erwachsene Frau und kein unmündiger Teenager!
Allerdings auch ohne eigene Einkünfte und zu hundert Prozent vom Wohlwollen ihrer Eltern abhängig. So gesehen …
Nach einer kurzen, lastenden Pause brachte Königin Zoe die Tischkonversation geschickt wieder in Gang und wandte sich ihrer Tochter erst wieder nach dem Dessert zu, indem sie sich vom Tisch erhob und Natalia mit einer erhobenen Braue bedeutete, ihr in den kleinen Salon zu folgen. Die Männer blieben zurück, um in Ruhe über Politik und Wirtschaft zu reden und eventuelle, lukrative Verbindungen zwischen den verschiedenen Königshäusern zu arrangieren.
„Wie kannst du es nur wagen, uns derart zu blamieren?“, zischte Königin Zoe ihre Tochter ernsthaft verärgert an, sobald sie allein waren. „Wir haben dir gegenüber wirklich lange genug Geduld und Toleranz …“
„Ich mag es einfach nicht, wenn man über mich redet, als wäre ich unsichtbar“, platzte Natalia heraus.
„So werden derartig delikate Verbindungen nun mal ausgehandelt“, unterrichtete ihre Mutter sie kühl. „Diese Männer haben die Aufgabe, sich ein Bild von dir zu machen, um ihren
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