Skandal um Prinzessin Natalia (Julia) (German Edition)
langatmigen Erklärungen und drückte ihr Mitgefühl aus. Anschließend schaute sie kurz nach dem jungen Patienten, aber da Roberto schlief, stellte sie nur das Körbchen mit Schokoriegeln und Comicheften neben sein Bett und verabschiedete sich von seinen Eltern.
Kaum saß sie wieder in der Limousine, bat sie Enrico spontan, zu Bens Büro zu fahren. Aber auch dort traf sie ihn nicht an.
„Er war den ganzen Tag über nicht hier“, verriet ihr Mariana, die gerade im Aufbruch war.
„Kannst du mir vielleicht seine Privatadresse geben?“
Wenn Mariana überrascht von Natalias Ansinnen war, ließ sie es sich zumindest nicht anmerken, sondern schaute kurz in den PC und notierte die Adresse auf einem Zettel. „Ich weiß allerdings nicht, ob er überhaupt zu Hause ist.“
„Schon gut, ich muss ihn nur nach ein paar Kleinigkeiten fragen“, meinte Natalia leichthin, obwohl ihr Herz ganz oben im Hals schlug.
Zurück im Wagen studierte sie aufmerksam die angegebene Adresse, langsam, Buchstabe für Buchstabe. „Via Ventoso“ , gab sie dann triumphierend an ihren Chauffeur weiter, der die Limousine ohne ein Wort in Bewegung setzte.
Die Via Ventoso begann in der Stadt und zog sich dann an der Küste entlang. Schnell hatten sie die bebaute Gegend hinter sich gelassen und passierten schließlich nur noch vereinzelt liegende Strandhäuser. Enrico bog in einen schattigen Weg ein, der zu Bens Haus führte, einem großzügigen, modernen Bau aus Glas und naturbelassenem Stein.
Natalia stieg aus und wies ihren Chauffeur aus einem spontanen Impuls heraus an, zum Palast zurückzufahren.
„Sind Sie ganz sicher, Euer Hoheit ?“, fragte er zweifelnd.
„Ja, wenn ich Sie brauche, schicke ich eine SMS. Danke, Enrico.“ Sie wartete, bis der Wagen verschwunden war, bevor sie sich dem Haus zuwandte. Es wirkte beängstigend ruhig und verlassen. Was musste Ben denken, wenn sie hier so unangemeldet hereinplatzte? Und wenn sie zu voreilig gehandelt hatte und er gar nicht zu Hause war?
Natalia zauderte, aber Enrico gleich zurückzuordern, ließ ihr Stolz nicht zu. Also drückte sie auf die Klingel, wartete und zählte innerlich bis zehn, bevor sie nochmals läutete und diesmal bis zwanzig zählte. Nichts.
Enttäuscht und ein wenig beschämt nagte Natalia an ihrer Unterlippe. Als sie versuchsweise die Klinke herunterdrückte, öffnete sich zu ihrer Überraschung die Tür, und sie stand direkt im Wohnraum. Er war riesig, mit einer deckenhohen Fensterfront in Richtung Strand, bestückt mit modernen Ledersofas, wenigen Designermöbeln und zeitgenössischer Kunst.
Alles war still und dunkel. Natalias Herz klopfte so laut, dass Ben es sicher hören würde, wenn er da sein sollte. Die einzigen Anzeichen, dass er überhaupt hier lebte, waren ein Blatt Papier und ein silberner Stift auf einem niedrigen Tisch aus Glas und Stahl. Auf dem Ledersofa lag ein Taschenbuch, und Natalia musste schmunzeln, als sie sah, dass es sich um einen aktuellen Kriminalroman handelte.
In der offenen Küche standen eine Kaffeetasse und eine Müslischale abgewaschen auf der Spüle, neben einer Dose Vitaminpillen. Alles Hinweise auf ein ziemlich übersichtliches Junggesellendasein. Zögernd, aber getrieben von Neugier und bewusst laut, falls der Hausherr doch anwesend sein sollte, erkundete Natalia weiter Bens Domizil. Nach drei leer stehenden Schlafzimmern stand sie schließlich im Allerheiligsten: dem Masterbedroom.
Das riesige Bett mit der marineblauen Überdecke war mit militärischer Präzision gemacht worden. Geradezu erleichtert entdeckte Natalia dann doch noch einen Haufen verkrumpelter Kleidung auf dem Boden, der als Wurfgeschoss kurz vor dem Wäschekorb in der Ecke gelandet war. Auf dem Nachttisch lag ein weiterer Kriminalroman. Sie musste unbedingt daran denken, Ben wegen seiner Lektüre aufzuziehen!
Natalia sah noch ins angrenzende Bad, aber auch das war leer, bis auf eine Zahnbürste und einen Rasierer. Die Handtücher hingen zum Trocknen über der Duschtrennwand, die Badematte über dem Wannenrand. Askese pur …
Seufzend kehrte sie ins Wohnzimmer zurück und überlegte, was sie jetzt tun sollte. Ben würde das Haus doch nicht unverschlossen lassen, wenn er nicht irgendwo in der Nähe war, oder? Ob sie auf ihn warten sollte? Und wenn ja, warum?
Energisch verbannte sie die unbequemen Fragen in den Hinterkopf, öffnete die hohe Glastür und trat hinaus auf die Terrasse, die nahtlos in den feinkörnigen Sandstand überging. Spontan streifte sie
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