Skandal
geregelt. Und ich glaube auch nicht, daß Emily den Wunsch hat, eine lange offizielle Verlobungszeit festzulegen. Da ich meine Flitterwochen hier in St. Clair verbringen will, werden Sie und Ihre Söhne bis dahin unter allen Umständen verschwunden sein müssen. Ihr Personal kann bleiben. Emily scheint die Bediensteten recht gern zu mögen, und sie scheinen sehr tüchtig zu sein.«
»Dann wäre da noch der Ehevertrag auszuhandeln«, sagte Broderick verzweifelt.
Simon lächelte grimmig. »Zu solchen Regelungen wird es nicht kommen. Sie müssen sich eben darauf verlassen, daß ich für Ihre Tochter sorge.«
»Ich kann einfach nicht glauben, daß das wahr ist.« Broderick erinnerte an einen Fisch, der gerade aus dem Wasser gezogen wurde. Er schnappte mühsam nach Luft, und sein Gesicht war fleckig und hatte sich unnatürlich verfärbt. »Sie können sie nicht ernstlich heiraten wollen. Nicht nach diesem Skandal vor fünf Jahren. Denken Sie doch an Ihren Titel, Mann.«
Simons Mund wurde grimmig. »Ich habe Sie gewarnt, sich in der Richtung nicht mehr zu äußern, Faringdon. Das war mein Ernst. Ich glaube, damit hätten wir alles geregelt.«
»Nein, bei Gott, ganz und gar nicht. Ich werde mit Emily reden. Sie ist ein kluges Dingelchen, obwohl sie dazu neigt, sich dämlichen romantischen Schwärmereien hinzugeben. Ich werde sie davon überzeugen, daß Sie nichts Gutes im Schilde führen.«
»Das können Sie natürlich gern versuchen, aber ich bezweifle, daß Sie Glück damit haben werden. Sie wird es sich wohl kaum noch anders überlegen«, sagte Simon zuversichtlich. »Sehen Sie den Tatsachen ins Gesicht. Ihre einzige Hoffnung, Emily je wiederzusehen, besteht darin, daß Sie sich meinen Wünschen fügen.«
»Verflixt, das ist ein diabolischer Handel. Sie ist meine einzige Tochter. Ich werde sie zur Vernunft bringen.«
»In dem Punkt können Sie tun, was sie wollen. Warum fragen wir Emily nicht, ob sie sich von Ihnen überzeugen läßt oder ob Sie überhaupt die geringsten Aussichten haben?« Simon schlenderte zu dem Bücherregal, fand den verborgenen Hebel unten im Bücherschrank und drückte darauf.
Das Bücherregal schob sich lautlos von der Wand, und Emily, die offensichtlich auf der anderen Seite ihr Ohr an das Holz gepreßt hatte, fiel als ein farbenfrohes Bündel vor Simons Füße, die in Stiefeln steckten.
»Verdammt und zum Teufel«, murmelte Emily.
»Gütiger Gott, was ist denn das?« Broderick starrte voller Erstaunen erst die Öffnung in der Mauer und dann seine Tochter an.
Emily setzte sich auf und versuchte, die Kerze zu löschen, die sie in der Hand gehalten hatte, sich die Röcke glattzustreichen und gleichzeitig ihre Brille zurechtzurücken. Sie blickte zu Simon auf, der vor ihr stand. »Woher haben Sie gewußt, daß ich mich hinter dem Regal versteckt habe, Mylord?«
»Mein mysteriöses Wissen müssen Sie wohl dem Umstand zuschreiben, daß wir offensichtlich auf einer höheren Ebene miteinander kommunizieren, meine Liebe. Im metaphysischen Reich sind Dinge wie Gedankenübertragung zweifellos alltägliche Vorkommnisse. Wir werden uns an solche Erfahrungen gewöhnen müssen.«
»Ach ja, natürlich.« Emily lächelte strahlend.
Simon streckte die Arme aus, half ihr beim Aufstehen und stellte sie behende auf die Füße. Er sah lächelnd in ihre leuchtenden Augen und fragte sich, ob er noch hinzufügen sollte, seine Mutmaßung, daß sie sich auf der anderen Seite des Regals aufhielt, sei äußerst naheliegend gewesen. Inzwischen kannte er sie gut genug, um zu wissen, daß es ihr unmöglich gewesen wäre, sich diese Gelegenheit zum Lauschen entgehen zu lassen. Und schon gar nicht, wenn es auch noch einen praktischen Geheimgang gab, in dem sich das machen ließ.
Emily seufzte philosophisch, als sie sich den Staub aus ihrem pfirsichfarbenen Musselinkleid klopfte. »Soviel zu meiner Würde. Aber wenigstens ist diese Angelegenheit geregelt, stimmt’s?« Sie schaute hoffnungsvoll zu ihm auf. »Wir sind doch verlobt und werden heiraten?«
»Allerdings, meine Liebe«, versicherte ihr Simon. »Ich habe viele Fehler, wie du zweifellos nur zu bald feststellen wirst, aber ich bin nicht dumm. Ich konnte mir unmöglich die Chance entgehen lassen, die beste Investition meines Lebens zu tätigen.«
An einem trüben feuchten Morgen zwei Wochen später saß Simon in der Bibliothek seines Stadthauses am Grosvenor Square und las den Brief von Emily, der zur Frühstückszeit gekommen war. Wie üblich enthielt er
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