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Skandalfilme - cineastische Aufreger gestern und heute

Skandalfilme - cineastische Aufreger gestern und heute

Titel: Skandalfilme - cineastische Aufreger gestern und heute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Volk
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Nebeneffekt seiner Geschichte. In Wirklichkeit will er die verdeckt im Kino sitzenden Komplizen erschrecken, die mit wohlig ausgestreckten Beinen und einer Tüte Popcorn im Schoß das Brutalmonster Film skrupellos genießen, heute wie gestern und morgen. Ihr Genuss ohne Reue am Nimbus der Gewalt, bar jeden Mitgefühls und Gnade für ihre Opfer, stempelt sie zu schuldhaften Mittätern. Weil das Potenzial mitgelieferter Brutalität den genussvollen Unterhaltungseffekt nicht aufwiegt, greift Haneke zum Mittel inszenierter Quälerei als erzwungener Selbsterfahrung des Zuschauers. Der sanften Tour als Transportmittel von Einsicht und Einkehr misstrauend, will er den Leuten im Kino durch Zufügung schmerzhafter Gefühlsverletzung den Appetit auf Mediengewalt verderben. Dafür nimmt er offensichtlich ein moralisches Recht in Anspruch, Grenzen des Zumutbaren bewusst zu überschreiten. Diese Grenzen sind freilich nirgendwo authentisch definiert und verbindlich festgeschrieben. Aber jede Gesellschaft entwickelt Grenzwerte zum eigenen Schutz und zur Gefahrenabwehr für ihre Bürger. Die Missachtung dieser Grenzlinie etwa durch die These, dass der Zweck die Mittel heiligt, ist erfahrungsgemäß ein moraltheologischerIrrtum mit nachhaltigen Folgen. Auch das homöopathische Rezept, Gleiches mit Gleichem zu heilen, taugt nur für die Medizin. Gibt es überdies Sinn, wenn ein Teil der Zielgruppe vorzeitig das Kino verlässt und statt mit bewegendem Ernst und gewecktem Problembewusstsein mit Unlustgefühlen flüchtet und sei es auch nur aus Ärger über verlorene Zeit und verschwendetes Geld?
    Die Reaktionen
    «Ich versuche Wege zu finden, um Gewalt als das darzustellen, was sie immer ist, als nicht konsumierbar. Ich gebe der Gewalt zurück, was sie ist: Schmerz, eine Verletzung anderer.»
    Michael Haneke im Presseheft zu F UNNY G AMES
    «‹Wollen wir wetten, dass ihr morgen früh um neun alle kaputt seid?› fragt einer der weißgekleideten Männer. Und dann, zur Kamera gewandt: ‹Auf wen wetten Sie?› Das ist Hanekes Kalkül: Indem er die äußerste Grausamkeit mit dem ironischen Verweis auf den Blick des Mediums kombiniert, will er den Zuschauer gleichsam zur Erkenntnis foltern. Sein Irrtum liegt darin, dass er glaubt, die Wirkung von Gewalt brechen zu können, indem er sie bis ins Entsetzliche steigert. Aber vor der nackten und abstrakten Unmenschlichkeit, die Haneke vorführt, brechen alle Barrieren der Vernunft zusammen. Pasolinis Film S ALÓ , auf den der österreichische Regisseur sich beruft, stellte die ortlosen Phantasien des Marquis de Sade vor den historischen Hintergrund des Faschismus und machte sie dadurch erfahrbar. Haneke dagegen verwandelt den Sadismus wieder zurück in ein irreales Experiment, in dem nur der Schrecken noch wirklich ist. Er will uns beweisen, dass echte Gewalt nicht konsumierbar ist. Deshalb tut er sie uns an. Das ist banal und grausam zugleich.»
    Andreas Kilb, Die Zeit,
    23. Mai 1997
    «Nachher darf man dann Haneke im Zusammenhang mit seinem Machwerk ungestraft von Auschwitz und Faschismus faseln hören, und seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen: sich ganz toll, aber wirklich ganz toll, betroffen fühlen.
    Den schwarzen Peter bekommen in F UNNY G AMES nämlich die Zuschauer zugeschoben, die der Film ständig für das, was er zeigt, haftbar machen will. Das erspart ihm, über die eigene Fasziniertheit von der Gewalt reflektieren zu müssen – schließlich sind es ja wir als Publikum, die so geil sind auf Gewalt, und nicht etwa Michael Haneke, der sie wieder und wieder so gern inszeniert.
    Wobei: in gewisser Weise muss man Herrn Haneke dann doch recht geben. Denn wer sich freiwillig diesen unsäglichen Hirnwichs ansieht, ist fürwahr ganz allein selbst schuld.»
    Thomas Willmann, www.artechock.de
    «Ich bin überhaupt kein Provokateur! Da hat man F UNNY G AMES falsch verstanden. Ich habe immer geglaubt, dass man diesen Film nur als einen Tritt in die Magengrube verstehen könne. Der Film sollte eine Ohrfeige sein, eine aufdeckende Ohrfeige. Weil mich diese Art, wie Gewalt normalerweise im Kino dargestellt wird, einfach ankotzt. Weil sie immer konsumierbar bleibt, und ich wollte sie einmal unkonsumierbar machen. In einer Diskussion wurde ich einmal gefragt: ‹Ja, wollen Sie die Leute denn aus dem Kino treiben?› Darauf habe ich geantwortet: ‹Schauen Sie: Wer den Film angeschaut hat, der hat ihn offenbar nötig gehabt. Wer ihn nicht nötig hatte, ist vorher rausgegangen. Also kommen Sie

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